Bei Sicherheitsgarantien für die Ukraine sagt Österreich Nein
EU-Gipfel: Nach der gescheiterten Rebellion in Moskau stellen sich die EU-Staats- und Regierungschef nun noch demonstrativer hinter die Ukraine. Aber in einem Punkt steht Kanzler Nehammer auf der Bremse
Es begann mit einem Aufstand der „Kleinen“: Zusammen mit den Regierungschefs von Malta und Irland schlug Bundeskanzler Karl Nehammer noch vor Beginn des EU-Gipfels am Donnerstag in Brüssel Pflöcke ein: „Für uns als Neutrale ist klar, dass es das so nicht geben kann.“
Dieses „das“ sind Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Ein absolutes No-Go für Österreich und die ebenso militärisch neutralen Inseln Malta und Irland.
Denn völlig unklar ist, was solche Garantien bedeuten würden: Müssten die 27 EU-Staaten dann an der Seite der Ukraine kämpfen, eigenes Militär schicken für den Fall, dass Russland den Kriegsdruck auf seinen Nachbarn wieder massiv erhöht?
Das könne nicht Aufgabe der EU sein, waren sich Nehammer, Irlands Premier Leo Varadkar und der Maltas Regierungschefs Robert Abela einig.
Und setzten durch, dass in der Schlusserklärung des Gipfeltreffens nicht mehr von „Garantien“, sondern nur noch von einem „Bekenntnis zur künftigen Sicherheit der Ukraine die Rede“ zu lesen ist – ein riesengroßer Unterschied. Der verpflichtet vorerst zu nichts Konkretem.
Und: „Die Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedsstaaten“ werde dabei respektiert, heißt es im EU-Gipfeltext weiter. Was so viel bedeutet wie: Die Position der neutralen Staaten wie Österreich wird auch künftig unangetastet bleiben. Militärischen Beistand wird Österreich auf keinen Fall leisten.
Waffenlieferungen
Fast sechs Milliarden Euro hat die Ukraine bisher zur Anschaffung von Waffen indirekt aus einem speziellen EU-Topf („Friedensfazilität“) erhalten. Doch es reicht bei Weitem nicht: Weitere 3,5 Milliarden Euro wurden nun genehmigt. Ungarn legt sich allerdings derzeit gegen die Auszahlung einer Tranche von 500 Mio. Euro quer
1,6 Milliarden Euro
beträgt der Kredit, den die Ukraine nun monatlich von den EU erhalten wird. „So lange, bis der Krieg endet“, heißt es vonseiten der EU. Das Geld dient der Aufrechterhaltung des Staates –
also für Löhne, Pensionen, Schulen, Krankenhäuser etc.
Volle Unterstützung
Doch einig waren sich die 27 EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Treffen gestern erneut: Mehr denn je müsse die Ukraine unterstützt werden. Mit Geld – insgesamt 50 Milliarden Euro soll die Ukraine bis 2027 erhalten –, mit Waffen und mit Perspektiven, etwa für einen möglichen Beitritt zur EU.
Und nun, nach der gescheiterten Rebellion der russischen Wagner-Söldner und ihres Kommandanten Jewgeni Prigoschin, braucht die Ukraine nach Meinung der EU-Spitzenpolitiker noch mehr Unterstützung. Denn „Risse und Verwerfungen im russischen System“ seien sichtbar geworden.
Aber ein „schwacher Putin ist eine noch größere Gefahr“, befürchtet der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
Für Kanzler Nehammer erneut eines der wichtigsten Themen beim Gipfel: Die Migration. Noch immer sei die Zahl illegaler Migranten viel zu hoch, und noch immer seien Dreiviertel aller Asylsuchenden in Österreich zuvor nicht in den anderen EU-Ländern registriert worden, kritisiert der Kanzler.
Migration: Blitzverfahren
Erste Erfolge seines Drucks auf Brüssel sieht er dennoch: Die EU-Kommission ist mittlerweile bereit, mehr Geld für Infrastruktur an den EU-Außengrenzen zu zahlen. Zudem sind erste Pilotprojekte in Bulgarien und Rumänien angelaufen. Dort durchlaufen ankommende Asylsuchende Blitzverfahren. Binnen 12 Wochen soll so fest stehen, ob sie Asyl erhalten oder nicht. Wer abgelehnt wird, kann so schnell wie möglich abgeschoben werden.
Besonderen Augenmerk zum Thema Migration richtete der EU-Gipfel gestern auf Tunesien. Vom nordafrikanischen Land aus steigen derzeit die meisten Migranten in Boote in Richtung Italien.
Giorgio Meloni, Italiens Premierministerin, versucht deshalb, Tunesien als eine Art Grenzpolizisten für Europa zu gewinnen. Ihr Angebot: „Wir sollten Tunesien nicht nur durch die Migrationslinse sehen, sondern auch als strategischen Partner für unsere Energiesicherheit.“
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