Meinl-Reisinger im ORF-Sommergespräch: Sommerschule, Skandal und Sparpotenzial

Beate Meinl-Reisinger kam zu ihrem achten ORF-"Sommergespräch" am Montagabend nicht mit leeren Händen: Die Neos-Chefin und Außenministerin kündigte an, dass die Sommerschule ab dem kommenden Jahr für Schüler mit schlechten Deutschkenntnissen verpflichtend wird. Eine lange Forderung der Pinken, die noch im Herbst im Ministerrat beschlossen werden soll.
Derzeit gibt es rund 50.000 außerordentliche Schüler, nur ein geringer Anteil davon nutzt das Sommerangebot, um die Deutschkenntnisse zu verbessern. Ab 2026 soll die Teilnahme im Ausmaß von insgesamt 40 Stunden Pflicht sein.
Die Wiener Bildungsstadträtin Bettina Emmerling begrüßt die Entscheidung und spricht von einem entscheidenden Schritt, um Bildungschancen nachhaltig zu verbessern. Alleine in der Bundeshauptstadt gibt es fast 20.000 außerordentliche Schüler.
Scharfe Zunge vs. Diplomatie
Jahrelang war Meinl-Reisinger "scharfzüngige Oppositionspolitikerin", wie Interviewer Klaus Webhofer zu Beginn des Gesprächs feststellt. Ob das eine schwierige Umstellung für sie gewesen sei, da sie sich nun ja in der internationalen Diplomatie bewegt? Meinl-Reisinger sieht es als "ehrenvolle Aufgabe", nun als Außenminister die Interessen Österreichs zu vertreten. Und ja, eine Umstellung sei es schon. "Ich bin eine Lernende."
Auf die Frage, ob es den Neos an "sozialer Wärme" fehle - nachdem ihr in Umfragen fehlende Bürgernähe attestiert wird - zitiert Meinl-Reisinger ausgerechnet ihren Vorgänger: Keine Partei setze sich so sehr dafür ein, Kindern "die Flügel zu heben". Kinder in der Bildungsfrage nicht zurückzulassen, sei eine soziale Frage.
"Wenn wir auf die Integrationsbaustellen schauen, sehen wir, wir brauchen eine Aufholjagd." Christoph Wiederkehr mache als Bildungsminister da sehr viel, sagt sie - und erwähnt nun die verpflichtende Sommerschule.
Bildung als "Schicksalsfrage für Österreich"
Ukraine: "Töten muss ein Ende haben"
Wechsel in die USA, wo heute Gespräche zwischen Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij stattfinden. Es stehe viel auf dem Spiel, sagt Meinl-Reisinger.
Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin dürften sich auf Gebietsabtretungen verständigt haben, um den Krieg zu beenden. Ob das infrage komme, lässt Meinl-Reisinger offen. Darüber habe nur die Ukraine zu entscheiden. Klar sei: "Das Töten muss ein Ende haben mit einem Waffenstillstand. Erst dann sind Gespräche möglich." Die Ukraine habe sich bereits im März zu einem umfassenden Waffenstillstand bereit erklärt, Russland aber bombardiere weiter.
Die legitimen Sicherheitsinteressen der Ukraine seien von entscheidender Bedeutung - auch für Österreich, betont die Außenministerin. "Wir brauchen eine Sicherheitsgarantie, dass die Menschen geschützt sind."
Österreich auf Friedensmission
Auf die Frage, ob sich Österreich an einer Friedensmission beteiligen würde, erinnert Meinl-Reisinger an einige Friedensmissionen in der Vergangenheit - beispielsweise am Westbalkan (Kosovo, Bosnien). Es komme freilich auf die Ausgestaltung an, aber ja - den Frieden abzusichern, werde notwendig sein. Notwendig sei dafür jedenfalls ein UN-Mandat. Es gebe Organisationen wie die OSZE, die helfen könnten - und ihren Sitz auch in Österreich haben, sagt sie.
Insgesamt plädiert Meinl-Reisinger für ein "selbstbewusstes Europa", denn: "Wir können nicht unsere Sicherheit in die USA auslagern, unsere Energie nach Moskau und unsere Lieferketten nach Peking." Nach einer "kalten Dusche" passiere gerade sehr viel - obwohl man noch immer sehr von den USA abhängig sei.
Zur Zoll-Einigung, das EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit US-Präsident Trump erzielt hat, sagt Meinl-Reisinger: "Ich bin nicht glücklich darüber. Aber es ist gut, dass Europa mit einer Stimme gesprochen hat. Es ist den USA nicht gelungen, Europa zu spalten." Es sei wichtig, noch Instrumente in der Hinterhand zu haben, um wirtschaftliche Stärke auszuspielen.
"Grenzen dürfen nicht am Schlachtfeld verschoben werden"
"Wohlstand durch Abkommen sichern"
Bei ihrem USA-Besuch traf sie vor einigen Wochen nicht nur Amtskollege Marco Rubio, sondern einige österreichische Unternehmer, die die Folgen des Zollstreits fürchten. "Unser Wohlstand ist gesichert, wenn wir in der Lage sind, Handel zu treiben und neue Märkte zu erschließen. Das ist auch mein Job als Außenministerin, Türen zu öffnen", betont sie.
Im Parlament liegt derzeit ein ablehnender Beschluss zum Abkommen Mercosur. Die Haltung der Neos sei klar: "Wir brauchen Märkte. Und wenn verlässliche Partner wegbrechen (die USA, Anm.) müssen wir uns neue suchen." Bei Mercosur habe es einige Verbesserungen gegeben, das Thema werde nun in der Koalition mit ÖVP und SPÖ besprochen. Und sie betont nochmals: "Für unseren Wohlstand wäre es wichtig, solche Abkommen abzuschließen."
"Zölle sind immer eine Lose-Lose-Situation"
Noch mehr Sparpotenzial bei den Förderungen
Ein besonders heikles Thema, dem sich die Regierung ganz zu Beginn widmen musste, ist das Budgetloch. "Wir sind dafür nicht verantwortlich, aber wir räumen jetzt z'samm", sagt Meinl-Reisinger.
Was die Regierung insgesamt mit dem Budget nun vorgelegt hat, lasse sie sich nicht kleinreden, aber: "Ja, es stimmt, dass wir in der Regierung noch mehr Ambition brauchen." Es brauche Einsparungen, um Spielräume für Reformen und Investitionen in Wirtschaft und Bildung zu schaffen.
Einsparungspotenzial gebe es bei den Förderungen, hier sei zuletzt eine "Gießkannenpolitik" verfolgt worden. Einsparungen von 3,3 Milliarden Euro seien schon identifiziert worden, nun wurde eine Taskforce eingerichtet. Zwei weitere Milliarden sollen noch in dieser Regierungsperiode eingespart werden.
Es brauche auch einen neuen Stabilitätspakt, weil es helfe nur bedingt, wenn sich der Bund zu den Budgetzahlen bekennt, aus den Ländern aber ein Defizit komme. Positiv strich sie die zwischen Bund, Ländern und Gemeinden vereinbarte "Reformpartnerschaft" hervor, es gehe jetzt darum, strukturelle Reformen auf den Weg zu bringen.
Förderungen: "Zwei Milliarden Einsparungspotenzial"
Pensionen: "Irgendetwas werden wir machen müssen"
Die Neos-Chefin spricht nun selbst die Pensionen an. Ihre Position sei weiterhin, dass es langfristig ein höheres Pensionsantrittsalter brauche - wenngleich das mit der Koalition erst nach der nächsten Wahl möglich sein wird. "Sie können sich drauf verlassen, dass wir weiter drängen werden."
Sie wolle auch die "Eigenverantwortung" im Pensionssektor stärken, indem man die zweite und die dritte Säule stärke mit einem Generalpensionskassenvertrag.
Meinl-Reisinger verweist auf den vereinbarten "Nachhaltigkeitsmechanismus", der allerdings erst nach Ende der Legislaturperiode greift. Sollten bis dahin die Ziele nicht geschafft sein, sollen ab da härtere Maßnahmen greifen.
Es gebe aber bereits Maßnahmen wie die Korridorpension und die Teilpension. Für sie als Neos-Chefin sei klar: "Irgendetwas werden wir machen müssen, wenn unsere Enkel auch noch eine Pension haben wollen."
Auf die Frage, wie hoch die Pensionen heuer erhöht werden, gibt sie keine Antwort. "Die Gespräche beginnen erst", verweist sie auf eine Klausur im Herbst. "Kopfschüttelnd zurückgelassen" habe sie jedenfalls, dass Ende des Vorjahres von ÖVP und Grünen die Beamtengehälter über der Inflation erhöht wurden.
Inflation: "Preiseingriffe nicht sinnvoll"
Zu den aktuell hohen Preisen für Lebensmittel und Energie wiederholt Meinl-Reisinger erstens die Neos-Position, wonach Preiseingriffe nicht sinnvoll seien.
Bei den Energiepreisen gehe es darum, die Kunden zu ermächtigen, mehr auf die Preise zu schauen - und etwaig häufiger den Anbieter zu wechseln. Mit einer Gesetzesänderung soll künftig auf der Rechnung auf einen Tarifrechner verwiesen werden.
Reformen als Schicksalsfrage
Die Dreierkoalition arbeitet betont harmonisch, am meisten Unruhe gebe es noch intern bei den Neos, sagt Interviewer Webhofer - und spricht beispielsweise die Abstimmung zur Überwachung an, bei der zwei Abgeordnete ausgeschert sind.
"Es ist meines Erachtens eine Schicksalsfrage für Österreich, ob Reformen gelingen oder nicht", sagt Meinl-Reisinger, und betont die Rolle der Neos darin. Richtschnur sei für sie, dass das Koalitionsabkommen mit großer Mehrheit von den Mitgliedern abgesegnet wurde.
"Wir Neos ticken anders. Gerade, wenn es schwierig ist, muss man Verantwortung übernehmen." So definiere sie auch Patriotismus - mit einem Seitenhieb auf die FPÖ, die sich "aus der Verantwortung gestohlen habe".
Die Neos hätten eine steile Lernkurve - sie würden liefern und zeigen, dass sie regieren können, "und dieser Verantwortung gerecht werden".
Sicherheit: "Über jeden Zweifel erhaben"
Hausintern hat die Außenministerin gerade alle Hände voll zu tun mit zwei Skandalen: einem Datenleck und einem Sexskandal.
Ersteres sei bereits behoben. Eine Kommission sei beauftragt worden, den die Cybersicherheit zu überprüfen. Der EU-Diplomat, der einen Sadomaso-Blog betrieben hat, sei gleich abberufen worden, als sie davon erfahren habe.
Auf die Frage, ob ihr Amtsvorgänger Alexander Schallenberg ihr da etwas verschwiegen habe - die Vorwürfe waren ja schon länger bekannt - winkt sie ab. Es sie aber wichtig, die Causa jetzt aufzuarbeiten. Das Außenamt sei ein sicherheitsrelevantes Ressort und müsse "über jeden Zweifel erhaben sein". Dass "Feuer am Dach" sei, weist sie zurück.
Gaza-Konflikt: "Nicht auf einem Auge blind"
Am Schluss spricht Webhofer noch die Positionierung Österreichs zu Israel an. Diese sei klar, sagt Meinl-Reisinger: "Wir stehen an der Seite Israels."
Das heiße aber nicht, dass man jede Entscheidung der israelischen Regierung gutheiße "und dass wir auf einem Auge blind sind, was die humanitäre Lage in Gaza betrifft".
Sie halte es für wichtig, nun wirklich für Frieden in dieser Region zu sorgen. "Und das geht aber nur, wenn es eine Zukunft gibt in Sicherheit für Israel, für die Jüdinnen und Juden weltweit und vor allem auch in Israel - aber auch für die Palästinenser auf palästinensischem Gebiet."
Österreich bekenne sich im Nahost-Konflikt klar zu einer Zwei-Staaten-Lösung, Die Siedlungspolitik sei völkerrechtswidrig und verhindere eine solche Lösung. Und sie betont: "Auch die Hamas ist nicht an einer Zwei-Staaten-Lösung interessiert. Sie will die Auslöschung des Staates Israel."
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