Meinl-Reisinger: "Ich bin keine Frühstücksdirektorin, sondern eine Macherin"

Meinl-Reisinger: "Ich bin keine Frühstücksdirektorin, sondern eine Macherin"
Die neue Außenministerin über ihren "unerschütterlichen pro-europäischen Zugang", Donald Trump, Sparpläne auch in ihrem Ministerium und die Demut vor dem Amt.

Am Montag Brüssel, heute, Sonntag, im Flugzeug zur UNO nach New York. Keine drei Wochen im Amt, schlägt die außenpolitische Hektik bei Neo-Ministerin Beate Meinl-Reisinger (Neos) bereits heftig zu. Und zwischendurch auch noch ein Interview.

KURIER: War es Teil Ihres Lebensplans, einmal Außenministerin zu werden? 

Beate Meinl-Reisinger: Überhaupt nicht. Manche Menschen wissen ja schon in der Sandkiste, was sie werden wollen. Ich bin ein sehr politischer Mensch und verfolge klar Überzeugungen, wie ich die Zukunft sehe und sie auch selber gestalten möchte. Dazu zählt ein unerschütterlicher pro-europäischer Zugang. Ich bin in einem Wien kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs aufgewachsen: Es hat mich bewegt und politisch geprägt – dieser Wille zur Freiheit. Plus der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union. Ich bin keine Frühstücksdirektorin, sondern eine Macherin, will Dinge in die Umsetzung bringen: Aber wie es in meinem Leben weitergeht, habe ich nie mit dem Ziel entschieden, dort und dort möchte ich hin, sondern aus dem Bauch heraus.

Sie sehen sich mehr als Politikerin denn als Diplomatin. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Ich will damit meine Demut gegenüber dem Amt zum Ausdruck bringen. Ich habe große Hochachtung vor der Expertise der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium und bin mir bewusst, dass ich noch viel lernen muss und werde. Gleichzeitig bedeutet es aber auch, dass ich als Politikerin Entschlossenheit an den Tag legen werde. Ich bin auch Parteichefin. Wir leben in einer Zeit tiefgreifender geopolitischer Veränderungen. Möglicherweise zerfallen alte Strukturen, und eine neue Weltordnung entsteht, ohne dass der Bauplan schon feststeht. Das erfordert klare Entscheidungen.

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Kann Österreich innerhalb der EU eigene außenpolitische Akzente setzen?

Wir sind ein verlässlicher und aktiver Partner. Unsere klare pro-europäische Haltung und unsere Unterstützung für die Ukraine sind wesentliche Botschaften. Zudem haben wir starke multilaterale und bilaterale Beziehungen, insbesondere zum Westbalkan, wo wir uns für die EU-Integration der Region einsetzen. Ein weiteres Beispiel ist Österreichs Kandidatur als nicht-ständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat. Ich fliege am Sonntag zur UNO in New York, um unsere Kandidatur zu starten.

Ihre Reise in die Ukraine wurde von der FPÖ heftig kritisiert. Gab es auch Kritik von der SPÖ? Zur Erinnerung: SP-Mandatare verließen einst das Parlament, als Ukraines Präsident Selenskij dort gesprochen hat...

Im Gegenteil. SPÖ-Chef Andreas Babler hat sich genau erkundigt, wie die Reise verlaufen ist. Ich habe in Kiew sehr positives Feedback erhalten, zur humanitären Hilfe und der Unterstützung durch österreichische Unternehmen. Auch Bundesländer wie Wien und das Burgenland engagieren sich stark.

Europa ist nach Russlands Angriff auf die Ukraine sicherheitspolitisch aufgewacht. Kann man sagen: Österreich schläft noch, weil es an der Neutralität festhält?

Ich sehe nicht, dass wir schlafen, im Gegenteil. Unsere Verteidigungsausgaben liegen jetzt bei 0,9 Prozent und wir wollen bis 2032 auf zwei Prozent unseres BIP gehen. Wir engagieren uns innerhalb der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU. Die Neutralität bedeutet nicht, dass wir uns aus internationalen Verpflichtungen heraushalten, wir wollen die europäische Sicherheit mitgestalten. Aber das tun wir in der EU und nicht in der NATO.

Das Verhältnis zur EU wird auch durch die Handelspolitik der USA herausgefordert. Wie sollte Europa auf mögliche Strafzölle reagieren? Europa muss sich selbstbewusst und geeint positionieren. Donald Trump versteht nur Stärke. Deshalb ist es wichtig, dass wir geschlossen auftreten. Strafzölle wären für beide Seiten nachteilig, daher ist der Dialog entscheidend. Aber wir dürfen uns auch nicht erpressen lassen.

In Serbien und der Türkei gibt es besorgniserregende Entwicklungen, etwa Verhaftungen von Oppositionellen. Wie bewerten Sie das?

Der Westbalkan ist ein zentrales Thema für uns. In Bosnien, was die Republika Srpska und Präsident Dodik angeht, sehen wir klare Verstöße gegen das Verfassungsrecht, und wir prüfen Sanktionierungsmöglichkeiten gegen die Verantwortlichen. In Serbien habe ich im Gespräch mit dem Außenminister die Bedeutung des Demonstrationsrechts betont. Die jüngsten Entwicklungen in der Türkei sind ebenso problematisch. Freie Wahlen und politische Teilhabe sind Grundpfeiler der Demokratie.

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Zur Innenpolitik: Als Anfang Jänner die ersten Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos gescheitert waren, haben Sie den Eindruck vermittelt, dass es gerade mit Andreas Babler besonders schwierig gewesen sei. Wie haben Sie wieder zusammengefunden?

Ich habe damals den Verhandlungstisch verlassen, weil bei SPÖ, aber auch ÖVP, kein gemeinsamer Wille da war, entschlossen strukturelle Reformen zu machen. Inzwischen sind wir weiter gekommen. Wir haben einen sehr engagierten Konsolidierungspfad. Wir müssen das Budget wieder in Ordnung bringen, und das passiert zu drei Vierteln ausgabenseitig.

Es gab viel Kritik an der Regierungsklausur, weil dort keine großen Beschlüsse erfolgt sind. Bestätigt das Ihre Kritik vom Jänner, dass in dieser Dreierkoalition keine tiefgreifenden Reformen möglich sind?

Ich möchte den Kritikern die Gegenfrage stellen: Was ist ihre Vorstellung? Wir haben als Schwerpunkt eine neue industriepolitische Strategie gesetzt, die wir angesichts des dritten Rezessionsjahrs und der Sorge um die Handelsbeziehungen gerade mit den USA brauchen. Wir sind jetzt nicht einmal drei Wochen im Amt, da können wir ja für eine solche Strategie nur den Startschuss geben.

Wie sehr schmerzt es Sie, dass es gerade bei den Pensionen keine tiefgreifenden Reformen gibt, wo das doch den Neos so wichtig war?

Würden wir Neos allein regieren, würden wir hier natürlich weiter gehen. Aber wir haben bei den Pensionen viel auf den Weg gebracht. Etwa das entschlossene Anheben des faktischen Antrittsalters. Die Zuschriften, die ich bekomme zeigen mir, dass die Bevölkerung nicht davon ausgeht, dass das eine Kleinigkeit ist.

Die kommende Woche veröffentlichte Konjunkturprognose wird wohl so schlecht ausfallen, dass das geplante Sparpaket weiter verschärft werden muss. Wo wollen Sie ansetzen?

Wir sind nicht für diese Situation verantwortlich. Aber wir übernehmen jetzt Verantwortung. Wir ziehen das wieder gerade. Von mir gibt es das klare Bekenntnis, dass wir nachbessern, wenn die vereinbarten Maßnahmen nicht reichen. Unser Ansatz ist es aber nicht, mit dem Rasenmäher drüberzufahren, sondern wir widmen uns den strukturellen Fragen. Ich werde das aber nicht hier mit Ihnen verhandeln, sondern mit meinen Parteichef-Kollegen.

Manche ÖVP-Vertreter sind schon von ihrem klaren Nein zu einem EU-Defizitverfahren abgerückt. Sie auch?

Der Wille, dass wir es abwenden, ist da. Ob die vereinbarten Maßnahmen reichen werden, wird man sehen. Ich habe schon im Dezember gesagt, dass wir die Bundesländer mit an Bord nehmen müssen, weil auch dort ein massiver Faktor vorhanden ist.

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