Babler: "Ich wünsche Herrn Mateschitz einen schönen Urlaub"
Andreas Babler will die SPÖ demokratisieren. Warum das nicht für die Landesparteien gelten könnte, wer aus SPÖ-Sicht zu „unseren Leuten“ gehört und wie er seine Pläne finanzieren will.
SPÖ-Parteichef Andreas Babler über seine Visionen für Österreich und was sich beim Parteitag am 11. November in der SPÖ ändern soll.
KURIER: Sie sprechen gerne von „unseren Leuten“. Wer gehört nicht dazu?
Andreas Babler: „Unsere Leute“ ist die gesamte Breite der Bevölkerung. „Ihre Leute“ haben wir eh alle verschriftlicht in den ÖVP-Chats. Das sind die wenigen Großspender und Großindustriellen, die glauben, dass die Politik zu ihren Diensten steht und die auf eine Politik getroffen sind, die das teilweise auch so gesehen hat.
Schnell gefragt: Andreas Babler
Ist Teil Ihrer Botschaft, dass die Bevölkerung von Banken und Großkonzernen abgezockt wird?
Es ist in der Tat so, dass der Markt in Österreich in vielen Bereichen nicht funktioniert und große Konzerne das nutzen, um sich zu bereichern. Wir haben eine der wenigen Regierungen, die wegen der Teuerung kaum in den Markt eingreift. Man kann auch von unterlassener Hilfeleistung sprechen.
Wir da unten gegen die da oben, die Eliten: Was unterscheidet Ihre Erzählung von jener Herbert Kickls?
Wir unterscheiden uns fundamental. Herbert Kickl spaltet kleine Gruppen heraus, erklärt sie zu Sündenböcken. Interessant ist auch, dass er gegen die Eliten sein will, aber gegen eine faire Millionärssteuer ist. Uns geht es um mehr Gerechtigkeit und eine gute Zukunft für die breite Masse, nicht um die Privilegien einiger weniger.
Ein Zinspreisstopp, wie von Ihnen gefordert, würde auch Besserverdienern das Konto aufbessern. Inwiefern ist das treffsicher?
Es ist alles treffsicher, was wir fordern – in der großen Masse zusammengedacht. Bei dieser Maßnahme ist die Diskrepanz offensichtlich. Die Banken machen Rekordgewinne, während viele Menschen das Girokonto überziehen müssen, weil zum Beispiel die Gasnachzahlung kommt. Während die Banken 3,25 bis 3,75 Prozent Zinsen kassieren, geben sie auf der Sparseite nur 0,25 bis 1,2 Prozent weiter. Deshalb fordern wir einen Mindestzinssatz, den es in Frankreich schon lange gibt.
Der Konsum in Österreich ist wegen der Teuerung jedenfalls nicht eingebrochen.
Die Schließungen bei Salamander, Delka, Kika/Leiner und Forstinger sprechen eine andere Sprache. Die jungen Leute, die ich am Frequency interviewt habe, auch.
Ihre Schätzung: Wie viele Menschen in diesem Land schränkt die Teuerung im Alltag tatsächlich ein?
30 Prozent der Leute haben sich heuer keinen Urlaub leisten können, das finde ich wahnsinnig erschreckend.
Ein Drittel der armutsgefährdeten Menschen hat laut Volkshilfe keine Staatsbürgerschaft. Was bringt es Ihnen bei der Wahl, wenn Sie die abholen?
Wir haben keine Armutsgefährdung einer kleinen, spezifischen Gruppe, sondern von 17 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Österreich. Das ist keine Zahl, die man auf eine Ausländerinnen- oder Ausländerdebatte zurückführen kann, sondern das ist jedes fünfte Kind in diesem Land. Man soll in der Politik nicht so abgehoben die Diskussion führen, auch nicht in einem Interview.
Die Wunscharbeitszeit liegt laut Arbeiterkammer zwischen 34, 35 Stunden pro Woche. Warum wollen Sie gegen den Willen der Mehrheit eine 32-Stunden-Woche einführen – in Zeiten des Arbeitskräftemangels?
Mir geht es darum, vier Millionen unselbstständig Erwerbstätigen in diesem Land wieder ein Stück mehr Gerechtigkeit zukommen zu lassen. In der Debatte wird auch oft die Realität negiert. Ein Drittel der Arbeitnehmer arbeitet schon verkürzt in Teilzeit, meistens unfreiwillig. Das trifft allein eine Million Frauen, die von kürzerer Vollzeit profitieren würden. Die Wirtschaft hat nach der letzten Arbeitszeitverkürzung floriert, wir haben Wachstumskurven gehabt. Hätten wir jedes Mal auf die bekannten Gegenargumente gehört, würden wir wahrscheinlich heute noch 60 Stunden arbeiten.
Haben Sie einen Zeitplan?
Nein. Wir wollen diese Frage über die Gewerkschaften und Sozialpartner gut und seriös ausverhandeln.
Wenn Sie Österreich strenger regulieren als unsere Nachbarländer: Haben Sie die Gefahr im Blick, dass Ihr Maßnahmenbündel ein Standortnachteil sein kann?
Nein, unsere Modelle stehen für Standortentwicklung, auch im ökologischen Bereich. Wir haben zum Beispiel sehr konkret festgeschrieben, wie wir Großbetriebe dekarbonisieren können. Auch gute Löhne und eine hohe Arbeitszufriedenheit sind ein Standortvorteil.
Wie viel bringt Ihr Modell für Erbschafts- und Vermögenssteuern pro Jahr?
Haben Sie gegengerechnet, was Ihr Comeback-Plan jährlich kosten würde?
Wir haben gegengerechnet, was alleine die völlig ungerechtfertigten Körperschaftssteuer-Schenkungen an die großen Unternehmen gekostet haben. Das waren in Summe sieben Milliarden.Schon damit könnte ich große Teile meines Programms mitfinanzieren. Und deshalb wäre die legitime Fragestellung bei Koalitionsgesprächen für eine SPÖ-geführte Regierung: Ist es die rote Linie des Gegenübers, die Ungleichheit zu belassen? Dass ein Prozent der Bevölkerung die Hälfte des Volksvermögens besitzt, dass es zu wenige gut ausgebildete Pädagoginnen an den Schulen und völliges Burn-out im Gesundheitsapparat gibt?
Am Parteitag soll beschlossen werden, dass künftig die Mitglieder den Parteivorsitzenden wählen. Könnte der Beschluss dann nur für die Bundespartei und nicht für alle Landesparteien gelten?
Logisch, wir haben jetzt schon unterschiedliche Realitäten. Ich bin verantwortlich für die Ausrichtung der Bundespartei. Wir führen einen sehr pragmatischen, konstruktiven Prozess und werden am Parteitag einen Vorschlag machen. Der Parteitag wird eine Demokratisierung bringen.
Soll die Reform dennoch einstimmig beschlossen werden? Es ist ja eine tiefgreifende Veränderung, die ein starkes Mandat benötigt.
Es gibt gewisse Regeln für Statutenänderungen. Alles, was diese Regeln erreicht, ist ein gutes Ergebnis. Aber wir arbeiten natürlich miteinander. Man tut in den Fragestellungen ja manchmal so, als wären wir unterschiedliche Sozialdemokratien.
Das liegt auch am vergangenen Parteitag und den Monaten davor.
In den letzten drei, vier Monaten ist die Sozialdemokratie auf Bundesebene jedenfalls sehr stark. Das sieht man ja auch an Ihren Fragen. Wir diskutieren über ein gerechtes Steuersystem oder eine positive Vision einer Republik, wo es 96 Prozent besser gehen soll. Vor zwei Jahren hätten Sie wahrscheinlich nur irgendwelche persönlichen Fragen gestellt.
Wann war Ihr letztes Telefonat mit Hans Peter Doskozil?
Das würde ich Ihnen nicht sagen, ich mache mein Telefonbuch nicht öffentlich.
Soll das SPÖ-Asyl-Positionspapier von Peter Kaiser und Hans Peter Doskozil überarbeitet werden?
Das Papier ist Beschlusslage der SPÖ, ich habe es damals auch mitgestaltet. Das Papier gibt natürlich nicht auf alle Fragen konkrete Antworten, die tagespolitisch aktuell sind.
Was muss sich in der EU ändern, dass sie aus Ihrer Sicht kein neoliberales, imperialistisches Konstrukt mehr ist, wie Sie es 2020 formuliert haben?
Ich glaube, ich habe schon ausreichend erklärt, dass das nicht meiner Sichtweise der Europäischen Union entspricht.
Was muss sich in der EU ändern?
Was muss sich verbessern? Ich glaube, man muss die progressive Kritik an der Ausrichtung der EU wieder klarer formulieren. Die Arbeitnehmerinnenrechte auf europäischer Ebene, wie Mindeststandards bei Kollektivverträgen, gehören nachgeschärft. Die Liberalisierung des Energiemarkts ist uns jetzt auf den Kopf gefallen, auch bei der Finanztransaktionssteuer hat die EU kein gutes Bild abgegeben, weil Lobbyisten sie verhindert haben.
Nennen Sie drei konkrete Klimaschutzmaßnahmen, die Sie sofort umsetzen würden.
Ausbau der Infrastruktur im öffentlichen Verkehr, Infrastruktur, Infrastruktur. Ich bin dagegen, dass man moralisch mit dem Finger auf die Leute zeigt, die noch das Dieselauto zum Pendeln brauchen, weil sie sich kein E-Auto leisten können. Die CO2-Bepreisung hat keinen einzigen Bahnkilometer und keine einzige Busverbindung mehr gebracht. Sie hat keinen Lenkungseffekt, das ist verlogen. Und ich bin auch dagegen, dass man auf Leute zeigt, die einmal mit ihren Kindern zum Meer fahren.
Hat Sie der Urlaub von Mark Mateschitz auch so geärgert wie Vizeklubchefin Julia Herr?
Ich wünsche dem Herrn Mateschitz einen schönen Urlaub. Mir geht’s ums System, von der Millionärssteuer bis zum EU-weiten Privatjet-Verbot. Privatjets verbrauchen 14-mal so viel CO2 pro Kopf wie ein Linienflug.
Wird die SPÖ im Herbst dem Erneuerbaren-Wärmegesetz zustimmen?
Wenn die Regierung einen Vorschlag macht, bei dem die Mieterinnen und Mieter nicht die Zeche zahlen: sicher.
Die ÖVP fordert härtere Strafen für „Klimakleber“. Sie auch?
Die ÖVP soll keine Schaumdebatten führen, das Strafmaß ist ausreichend. Die sollen beim Klimaschutz endlich etwas auf die Reihe bringen, da kommt nichts.
In den Umfragen merkt man noch keinen Babler-Effekt. Woran liegt das?
Nach dem Excel-Gate sind wir in einer Umfrage bei 19 bis 19,5 Prozent gelegen. Seitdem sind wir stärker geworden. Aber ich will das Land verändern, nicht die Umfragen. Wir haben uns parteiintern stabilisiert und die am stärksten besuchten Veranstaltungen seit 30 Jahren in den Bundesländern. Da passiert etwas.
Kurzbiografie
Der ehemalige Schichtarbeiter erlangte als Lokalpolitiker Bekanntheit. Er war ab 1995 Gemeinderat, ab 2007 Stadtrat und ist seit 2014 Bürgermeister von Traiskirchen. Seit dem Frühjahr ist Babler zudem Bundesrat und seit Anfang Juni neuer Bundesparteivorsitzender der SPÖ.
„Comeback-Tour“
Derzeit tourt Babler durch alle Bundesländer. Am 11. November will er sich am SPÖ-Parteitag als Parteichef bestätigen lassen.
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