Sollen Asylwerber kein Bargeld mehr erhalten?
14 der 16 deutschen Bundesländer führen, anstelle von Bargeld, eine „Bezahlkarte“ für Asylwerber ein. Überweisungen und Zahlungen im Ausland sollen damit nicht mehr möglich sein. Das Ziel: Verhindern, dass Bargeld in die Herkunftsländer geschickt wird oder Flüchtlinge damit abtauchen.
Nun steht im „Österreichplan“ der ÖVP, dass Sozialleistungen künftig nur noch in Form von Sachleistungen und Gutscheinen ausbezahlt werden sollen. Das würde auch für Asylwerber gelten. Kommt die Bezahlkarte also auch in Österreich? Was spricht dafür, was dagegen?
Wie viel Geld erhalten Asylwerber hierzulande?
Rund zwei Drittel der Asylwerber leben in organisierten Quartieren. Ihre Grundversorgung besteht schon jetzt hauptsächlich aus Sachleistungen wie die Kosten des Quartiers. Gibt es in der Unterkunft keine Verpflegung, erhalten sie – der Betrag variiert je nach Bundesland – monatlich rund 200 Euro Verpflegungsgeld und 40 Euro Taschengeld. Für Bekleidung gibt es 150 Euro jährlich – in Oberösterreich wird dieser Betrag via Gutschein ausgehändigt. In privaten Unterkünften wohnen rund ein Drittel der Asylwerber. Sie erhalten monatlich 165 Euro Mietgeld und 260 Euro Verpflegungsgeld.
Wie steht Türkis-Grün zu einer Bezahlkarte?
Österreich setzt bereits jetzt stärker auf Sachleistungen als Deutschland. Dennoch wolle man nachschärfen, betont Innenminister Gerhard Karner (ÖVP): „Statt Geld wird es künftig Sachleistungen geben. Dazu werden wir ein praktisches, einfaches und kostengünstiges Modell einer Sachleistungskarte entwickeln.“ Über Details werde auf Regierungsebene gesprochen. Georg Bürstmayr, asylpolitischer Sprecher der Grünen, kann sich eine „Geldkarte“ nur dann vorstellen, wenn weiterhin Barabhebungen möglich sind: „Der Zugang zu Bargeld ist eine wichtige Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe.“ In Tirol erhalten Asylwerber bereits eine Geldkarte, mit der sie auch Bares abheben können.
Wäre es möglich, Asylwerbern den Zugang zu Bargeld zu verbieten?
Das könnte dem Recht auf Teilhabe widersprechen. 2012 stellte das deutsche Bundesverfassungsgericht fest: Es sei nicht gerechtfertigt, Leistungen für Asylwerber unter das „physische und soziokulturelle Existenzminimum“ zu senken, um Anreize für Migranten zu reduzieren.
Machen Sachleistungen das Asylsystem billiger?
Deutsche Asylexperten gehen eher davon aus, dass Kosten für den Personal- und Verwaltungsaufwand durch den Umstieg auf Sachleistungen steigen. „Eine Umstellung wird definitiv Geld kosten, denn der Betreiber des Zahlungssystems wird dies wohl nicht gratis machen“, sagt auch Lukas Gahleitner-Gertz vom Verein Asylkoordination.
Welchen Effekt könnte die Bezahlkarte haben?
Als Landkreise im deutschen Thüringen die Karte einführten, soll sich die Zahl der abgereisten Flüchtlinge laut Medien vervielfacht haben. Wird ein Land also weniger attraktiv, wenn es auf Sachleistungen für Asylwerber umsteigt? Gahleitner-Gertz sieht dafür keine Evidenz. In Österreich sei es angesichts der „geringen Beträge“ für Asylwerber auch kaum möglich, viel Geld abzusparen. Laut Studien tätigen 10 bis 20 Prozent der Asylwerber Rücküberweisungen in ihr Herkunftsland.
Wie positioniert sich die Opposition?
Die FPÖ fordert wie die ÖVP, dass Asylwerber und Flüchtlinge nur noch Sachleistungen erhalten sollen. Deshalb legte sie der ÖVP am Mittwoch im Parlament ihre eignen Forderungen vor. Die ÖVP stimmte – um die Koalition nicht zu sprengen – nicht zu. Die Bundes-SPÖ sieht den Plan wiederum skeptisch: „Die ÖVP will Sachleistungen nicht nur für Asylwerber ausweiten, sondern fordert sie auch für Sozialhilfeempfänger. Es führt zu Stigmatisierung, wenn die Mindestpensionistin mit Lebensmittelmarken im Supermarkt bezahlt.“ Die Neos halten zumindest eine Evaluierung der Bezahlkarte „für alle Leistungen der Grundversorgung“ für sinnvoll.
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