12-Stunden-Tag: Arbeiten, bald rund um die Uhr?

12-Stunden-Tag: Arbeiten, bald rund um die Uhr?
Der Plan, die Arbeitszeit auszuweiten, entzweit nicht nur ÖGB und Wirtschaft. Auch Bischöfe warnen. ÖVP-Spitzen kritisieren Polarisierung.

Sein Arbeitstag beginnt, bevor viele ihren ersten Kaffee getrunken haben – denn er serviert ihn. Sein Tag endet, wenn das letzte Weinglas abgespült, das Besteck sauber poliert in der Lade und seine Gäste längst im Bett liegen.

„Zwölf Stunden am Tag, sechs Tage und mehr als 60 Stunden in der Woche zu arbeiten ist bei uns schon Realität“, erzählt Berend Tusch, Betriebsrat der Austria Trend Hotels aus seinem Berufsalltag. Und er warnt: „Das kann es für alle anderen jetzt auch werden.“

Überstunden-Job, Teilzeit-Leben. Tusch: „Das macht einen auf Dauer kaputt.“

Der Restaurantfachmann mit seinen lebhaften Schilderungen („Man lächelt freundlich, wischt sich den Schweiß von der Stirn“) ist einer der Betroffenen, die die SPÖ vor den Vorhang holt, um gegen die türkis-blauen Pläne zur Arbeitszeitflexibilisierung zu mobilisieren.

Eine andere ist die Alleinerzieherin Andrea Czak. „Wenn die 12-Stunden-Regelung kommt, geht sich das mit den Kindergartenöffnungszeiten nicht aus“, sagt sie. Ihr sei schon einmal gekündigt worden, weil sie wegen ihres Kindes nicht – wie vom Chef verlangt – länger arbeiten konnte. Wenn die Regierung jetzt von Freiwilligkeit und Flexibiliät spricht, dann fragt sie sich: „Und wer stellt dann noch die Unflexiblen ein?“

Was der Zwölfstundentag bedeuten würde

„Blödes Gesetz“

Josef Muchitsch, Vorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz und SPÖ-Mandatar, spricht von einem „Gruselantrag“, einem „blöden Gesetz“, und appelliert an die Regierung: „Ziehen Sie den Antrag zurück, arbeiten wir an einem neuen Gesetz und setzen wir dafür eine sechswöchige Begutachtung an. Ich garantiere: Im September kann es beschlossen werden.“

Dass sein Appell gehört wird, ist unwahrscheinlich – für die ÖVP gilt das Gesetz nach Nachschärfungen in puncto Freiwilligkeit als so gut wie beschlossen. Daran werden auch die heutige Sondersitzung und die Groß-Demo morgen nichts ändern.

Die Stimmung zwischen Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern – sie warfen der Regierung „Lohnraub“ und „Arbeiterverrat“ vor – ist deshalb schlecht wie lange nicht. Das zeigt auch die jüngste Sitzung des Wirtschaftsparlaments: Kammer-Chef Harald Mahrer richtete der Gewerkschaft aus, „unseren Mitarbeitern mit eigenartiger, polemischer Propaganda Sand in die Augen zu streuen“. Jene, die nun Kritik am 12-Stunden-Tag üben, „haben offenbar den Alltag in den Betrieben schon lange nicht mehr gesehen“. Damit noch nicht genug, sorgt in ÖVP-Kreisen derzeit ein angeblicher Aufruf der Gewerkschaft für Aufregung, wonach türkis-blaue Abgeordnete privat aufgesucht und bekehrt werden sollen.

Mahrers freiheitlicher Vize Matthias Krenn legte im Kampf gegen die Gewerkschaft gar noch nach: „Jene, die glauben, sie vertreten hier unsere Mitarbeiter, sind auf dem Holzweg.“

 

Wie jetzt? Werden wir künftig nun doch nicht länger arbeiten müssen?

Türkis-Blau geht jedenfalls davon aus, dass sich die Arbeitszeit insgesamt nicht erhöhen wird. Wiewohl rein rechtlich die erlaubte Zahl an jährlichen Überstunden von 320 auf 416 ansteigt. Und wie viele Menschen von der Erhöhung der Höchstarbeitszeit letztlich konkret betroffen sein werden, kann ÖVP-Klubchef August Wöginger derzeit noch nicht einschätzen. Fix ist nur: Schon jetzt arbeiten etliche Berufsgruppen 12 Stunden pro Tag.

Dass man nicht weitergehen dürfe, urgiert nun sogar die Kirche: Der Katholische Familienverband ortet einen „Tabubruch“, die Bischofskonferenz formuliert es noch deftiger: „Die Gesetzesänderungen verletzen völkerrechtliche Verpflichtungen Österreichs“ auf Grundlage des Konkordats und seien „verfassungsrechtlich bedenklich“. So bestätigt die Kirche letzthin, wovor der eingangs erwähnte Kellner warnt: „Familien- und Beziehungstage“ sowie „Tage des privaten und zivilgesellschaftlichen Engagements“ seien massiv bedroht.

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