In Österreich hat sich im Laufe der vergangenen Woche die Zahl der aktiven Fälle um 53 Prozent erhöht, die Zahl der Hospitalisierungen ist um 65 Prozent und die darin inkludierte Zahl der von Corona-Patienten belegten Intensivbetten um 28 Prozent gestiegen.
Aufgrund der alarmierenden Zahlen ruft Gesundheitsminister Rudolf Anschober nun dazu auf, die Stopp-Corona-App zu installieren.
Kehrtwende
Die Grünen hatten die App anfangs abgelehnt. Anschober am Sonntag: "Diese hohen Zahlen sind eine enorme Herausforderung für die regionalen Gesundheitsbehörden, das so entscheidende Kontaktpersonenmanagement schnell durchzuführen. Dieses Kontaktpersonenmanagement kann jede und jeder Einzelne gut durch die Installation der Stopp-Corona-App unterstützen. Jetzt ist es an der Zeit, dabei mitzumachen."
Dem KURIER gab der Gesundheitsminister ein Interview zu aktuellen Pandemie-Lage.
KURIER: Herr Minister, nach der Aufregung um den Oster-Erlass wollten Sie im Ministerium vieles anders machen, die Rechtsabteilung aufstocken, etc. Bei der Verordnung, die seit heute gilt, lief wieder einiges unrund. Woran hapert’s?
Rudolf Anschober: Wir hatten die hochkomplexe Verordnung, die in das Leben von Millionen Menschen eingreift, am Montag im Entwurf fertig. Da wir unsere Verordnungen jetzt aber vorab auch externen Experten vorlegen, hat sich herausgestellt, dass diese Verordnung sehr viele verschiedene Menschengruppen – direkt oder indirekt – betrifft, an die man beim ersten Regeln gar nicht denken würde. Dadurch haben wir mehrfach nachjustiert. Hinzu kommt, dass wir in der Koalition alle Verordnungen bis ins Detail abstimmen. Auch das kann zeitintensiv sein. Am Ende ist entscheidend, dass unsere Maßnahmen wirken – und nicht, ob Verordnungen einen Tag früher oder später in Kraft treten.
Den Vorwurf, die Regeln seien zu kompliziert und unklar...
...kann ich nicht als Ausrede gelten lassen. Natürlich kann es für Einzelne in Details kniffelig sein. Aber in diesen Situationen kann man sich auf unserer Homepage, telefonisch bei uns im Ministerium oder beim Bürgerservice melden. In diesem Sinn wurden in den vergangenen Monaten 76.489 schriftliche und 41.604 telefonische Bürgeranfragen beantwortet.
Der Vizepräsident der Ärztekammer wirft Ihnen vor, Ihr Krisenmanagement würde das Vertrauen der Bürger zerstören.
Ich bin als Minister sehr nahe dran an den Ärzten, Apothekern, Pflegern, Hebammen und Therapeuten und allen, die im Gesundheitssystem arbeiten, und die Zusammenarbeit ist großartig. Es gibt einen Funktionär, der Kritik übt. Das bedaure ich, aber ich höre gleichzeitig: Für die Kritik gibt’s andere Gründe. Ich behandle alle gleich, bevorzuge niemanden – auch nicht die Ärztekammer. Wenn das jemanden stört, muss ich das in Kauf nehmen, Sonderrechte gibt's bei mir nicht.
Gleichbehandlung ist ein gutes Stichwort: Die Kärntner Gesundheitslandesrätin hat beklagt, dass ÖVP-geführte Bundesländer die Verordnung vorher bekommen hätten, wohingegen sie selbst eher kurzfristig und per SMS über die Details informiert wurde. Bekommen wirklich immer alle gleichzeitig die gleiche Information?
Wir müssen zwei Dinge auseinanderhalten. Das eine ist die Information und Zusammenarbeit des Gesundheitsministeriums mit den Ländern. Die klappt aus meiner Sicht hervorragend, und im Unterschied zu früher, wo man sich vielleicht zweimal im Jahr zusammengesetzt hat, beraten wir jetzt wöchentlich. Das andere ist die Koalition. Hier einigen sich zwei Parteien auf bestimmte Inhalte, jeder zieht Experten hinzu und stimmt sich mit dem Koalitionspartner ab. Für die ÖVP waren die Experten im konkreten Fall die eigenen Landeshauptleute. Das ist normal und nichts Böses, ich habe meine eigenen Fachexperten.
Zu den Infektionszahlen: Sie haben Anfang Oktober gesagt, wir stabilisieren uns auf hohem Niveau und müssen uns jetzt halbieren. Das klingt angesichts der aktuellen Zahlen eher schräg.
Es stimmt, von diesem Ziel sind wir derzeit weit entfernt - in ganz Europa. Wir sind derzeit ganz wo anders, aber man muss sich hohe Ziele setzen. Ein Drittel der Neu-Infektionen weltweit kommt aus Europa, Europa ist derzeit das Epizentrum der Pandemie. Was wir vor uns haben, das sind Wochen der Weichenstellung. Jetzt entscheidet sich, wie es mit uns, dem Arbeitsmarkt und der Wirtschaft weitergeht. Da brauchen wir jeden Einzelnen dafür, jetzt geht’s ans Eingemachte. Jeder ist Teil der Lösung.
Sie sagen das nicht zum ersten Mal. Das Problem scheint jetzt zu sein: Die Menschen sind müde und ausgelaugt. Woran sollen sich die Bürger aufrichten?
Ich glaube schon, dass es funktioniert, wenn man zur Bevölkerung ehrlich sagt: "Leute, ich hab euch verstanden, ihr seid müde, aber jetzt geht’s um die entscheidenden 4,5 Wochen. Wenn wir die gut hinbekommen, feiern wir relativ normal Weihnachten und es gibt einen Wintertourismus, der viele Jobs sichert." Einige wenige Junge denken sich leider: Mir passiert nichts, mich trifft Covid-19 nicht – aber das täuscht: genau für die Generationen geht‘s darum, dass sie einen Lehrplatz haben, sich wirtschaftlich etablieren können, eine Zukunft haben. Das haben wir alle jetzt selbst in der Hand. Jeder Einzelne entscheidet.
Die Zahl der Neu-Infektionen stieg zuletzt in die Tausenden. Wo ist die Grenze, wo auch unser Gesundheitssystem krachen geht?
Der entscheidende Parameter ist die Intensivstation. Dort entscheidet sich, ob wir Menschen, die wegen Corona oder anderen Erkrankungen in Lebensgefahr geraten, gut behandeln können. Österreich hat hier einen riesigen Vorteil: Wir sind neben Deutschland das Land, das am besten aufgestellt ist, was die Intensiv-Betten angeht. Noch ist die Auslastung nicht alarmierend - aber die Dynamik der Pandemie kann sich schnell ändern und zuspitzen. Wichtig ist zudem der Altersschnitt bei den Neuinfektionen – und der ist im Vergleich zum Frühling von 59 auf derzeit 40 gesunken, also um eine Generation.
Haben wir beim Risikoverhalten ein Altersproblem?
Sagen wir so: Der Altersschnitt von positiv Getesteten ist gesunken und das ist ein Hinweis auf bestimmte Verhaltensweisen.
Bleiben Sie dabei, dass es im Jänner einen Impfstoff gibt?
Ja, ich bin zutiefst optimistisch, und wir brauchen diesen Optimismus. Ohne Hoffnung kann kein Mensch Energie haben! Die Zulassungsbehörden arbeiten streng, da darf’s keine Schlampigkeiten geben, es müssen alle Kontrollen passen. Die Sicherheit beim Impfstoff ist das Wichtigste. Aber wir sparen Zeit, weil die Kontrollschritte nicht nacheinander, sondern teilweise parallel umgesetzt werden. Und deshalb spricht vieles dafür, dass es die Marktzulassung für die ersten Impfungen noch in den ersten beiden Monaten 2021 gibt. Und dann ist Österreich gut versorgt, dafür haben wir gesorgt.
Sind wir noch immer weit weg vom Lockdown?
Ja, das sind wir. Aber die nächsten Wochen sind entscheidend, ob das so bleibt.
Gastronomie
Ohne zugewiesene Sitzplätze dürfen Indoor nur 6 Personen, Outdoor nur12 Personen – Kinder nicht mitgerechnet – an einem Tisch sitzen.
Alkohol im Freien
Nach der Sperrstunde dürfen alkoholische Getränke im Umkreis von 50 Metern um Betriebsstätten nicht konsumiert werden. Das gilt auch für Tankstellenshops mit Gastronomielizenz sowie für Imbissstände.
Ende für Gesichtsvisiere
„Ein Mund-Nasen-Schutz muss künftig eng anliegen.“ Überall, wo in Österreich Maskenpflicht gilt, werden sogenannte „Face-Shields“ als Schutzvorrichtung nicht mehr anerkannt. Stattdessen muss eine anliegende Maske getragen werden. Für das Gesichtsschild-Verbot will man eine kurze Schonfrist einplanen. Diese Regelung gilt ab 7. November, also nach einer zweiwöchigen Übergangszeit.
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