Die Schwachstellen im harten Kampf gegen Hass im Netz
Warum werden Opfer von Hass im Netz nicht besser geschützt? Warum gelingt es den Behörden nicht, die Täter auszuforschen und zur Rechenschaft zu ziehen? Fragen, die der Tod der oberösterreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr erneut aufwirft – neu sind sie aber nicht.
In Österreich wurden immer wieder Initiativen gesetzt: 2016 etwa wurde unter Rot-Schwarz der Cybermobbing-Paragraf eingeführt, 2018 gab Türkis-Blau dann mit einem Gipfel gegen Hass im Netz den Startschuss für ein Reformpaket, das Türkis-Grün 2021 umgesetzt hat.
Das Paket hat zwei Komponenten: Einerseits wurden Strafgesetze nachgeschärft und die Hürden für Opfer gesenkt, andererseits wurden die Internetplattformen dazu verpflichtet, Hasspostings schneller zu löschen.
Das Ergebnis? Das kommt darauf an, wen man fragt. In der Regierung ist man mit der Gesetzeslage zufrieden. Allerdings müsse noch mehr in Sachen Sensibilisierung getan werden, heißt es – auf Täter- wie auf Opferseite. Das Justizministerium plant für heuer eine umfassende Kampagne.
Unfähigkeit und Unwille
Härter fällt freilich das Urteil von Netzaktivist Thomas Lohninger, Epicenter Works, aus. Er sagt: Ja, das türkis-grüne Paket habe strafrechtlich gute Ansätze, und ja, die Gesetzeslage sei ausreichend – das sei sie auch im Fall Kellermayr gewesen.
Das Problem sei vielmehr: „Es mangelt den Strafverfolgungsbehörden am Fingerspitzengefühl für die Opfer, an der digitalen Kompetenz und/oder am Unwillen, die Täter auszuforschen, gerade im rechten Milieu. Es entsteht der gefährliche Eindruck, dass Opfer von Hass im Netz allein gelassen werden.“ Das seien Punkte, so Lohninger weiter, „mit denen wir uns als Gesellschaft jetzt auseinandersetzen müssen“.
Vorschläge wie die Klarnamen-Pflicht seien zu Recht verworfen worden, sagt er: „Die Praxis zeigt: Das schreckt niemanden ab. Viele posten unter ihrem richtigen Namen die schlimmsten Dinge, weil ihnen schlicht das Unrechtsbewusstsein fehlt.“ Die Klarnamen-Pflicht würde wohl nach hinten losgehen; nämlich jene abschrecken, die mit Fakten dagegenhalten, „Trollen“ in Foren Paroli bieten und sich für das Opfer stark machen – weil die „Trolle“ dann ja auch ihre Namen kennen.
Die Klarnamen-Pflicht bzw. die 2018 von Türkis-Blau vorgeschlagene Ausweispflicht im Internet ist derzeit aber ohnehin kein Thema: Im Justizministerium nennt man ähnliche Argumente wie Netzaktivist Lohninger. Klarnamen würden zudem kritische Stimmen (etwa auch im Arbeitsumfeld) identifizierbar machen und der Diskussionskultur schaden: „Das Internet ist ein öffentlicher Raum, in dem man sich anonym bewegen können muss.“
In Sachen Strafverfolgung tut sich auf EU-Ebene etwas: Gerade wird die sogenannte eEvidence-Verordnung finalisiert, die die Ausforschung von Tätern im Ausland beschleunigen soll.
1. Beweise sichern
Machen Sie einen Screenshot oder fotografieren sie das Posting mit ihrem Handy ab. Es ist wichtig, dass auch das Datum ersichtlich ist sowie der Kontext des Schreibens. Damit können Sie später beweisen, dass Sie jemand beleidigt oder bedroht hat. Es gibt mit dem Dienst netzbeweis.com eine Möglichkeit, Screenshots so zu speichern, dass sie vor Gericht verwendet werden können.
2. Inhalte löschen lassen
Bei Sozialen Medien wie Facebook, Instagram oder YouTube können Postings nach dem Hass-im-Netz-Gesetz gemeldet werden und müssen dann von den Plattformen entfernt werden. Die Plattformen informieren Sie, sobald ein Posting gelöscht wurde.
3. Anzeige bei der Polizei
Ist ein Opfer der Meinung, eine Straftat hat sich ereignet, sollte die Polizei eingeschaltet werden. Die Unterscheidung, ob ein Vorfall strafrechtlich relevant ist oder nicht, muss keinesfalls das Opfer selbst entscheiden, heißt es seitens der Polizei. Erste Anlaufstelle ist immer die Polizeiinspektion.
4. Unterlassungsauftrag
Falls eine Plattform sich weigert, ein Posting zu löschen, kann diese geklagt werden, ebenso wie der Verfasser des Postings. Dies führt allerdings nicht immer zum Erfolg.
5. Gegenrede
Auf schnellerkonter.at kann man sich Inspirationen holen, wie man sich verbal wehren und darauf aufmerksam machen kann, dass ein Kommentar nicht ok war.
Personenschutz
Doch wie wird eine gefährdete Person im Ernstfall wirklich von der Polizei geschützt und wer entscheidet, ob Personenschutz angebracht ist, oder nicht?
Die Antwort ist, wie die Thematik an sich, keine einfache. Geregelt ist der Personen- und Objektschutz nach § 22 (Vorbeugender Schutz von Rechtsgütern) in Verbindung mit § 48 (Bewachung von Menschen und Sachen) laut Sicherheitspolizeigesetz.
Ob eine Person gefährdet ist, und ob ihr Schutzmaßnahmen zukommen, sei aber eine „individuelle“ Entscheidung, heißt es aus dem Innenministerium. Getroffen wird sie von der jeweils „fallführenden Sicherheitsbehörde“. Was nicht zwingend der Verfassungsschutz sein muss, sondern auch die Kriminalpolizei im jeweiligen Bundesland.
Die Polizei selbst verweist seit Jahren darauf, dass ihr bei Hetze im Netz die Hände gebunden seien. „Wir arbeiten mit einem Gesetz, das zuletzt 2008 überarbeitet wurde. Ob dies noch zeitgemäß ist, das ist eine rhetorische Frage“, sagt ein hochrangiger Beamter.
Doch die Frage, was ein Staat tun muss, um seine Bürger zu schützen, kollidiert stets mit datenschutzrechtlichen Aspekten. Angefangen vom Fall Kellermayr bis hin zum Thema der Ausforschung Terrorverdächtiger. Denn: Jede Kontrolle und Verschärfung bedeutet, die individuelle Freiheit im Netz einzuschränken – auch die von Unschuldigen.
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