Ab nach Afrika mit Flüchtlingen? "Völlig falscher Weg"

Flüchtlingswesen: Laut Expertin Sunjić ist es in Europa "extrem teuer, ineffizient und bringt für Betroffene zudem Leid".
Dänemark will Asylwerber nach Ruanda schicken, Innenminister Karner darüber diskutieren - Migrationsexpertin Sunjić sieht andere Möglichkeiten, Asylprobleme zu lösen.

42.000 Asylanträge allein in den ersten sieben Monaten dieses Jahres – damit seien die Grenzen der Belastbarkeit in Österreich erreicht, befürchtet Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). Eine Möglichkeit, die irreguläre Migration einzudämmen, sieht er im dänischen Vorbild: Die Regierung in Kopenhagen plant, Asylsuchende ins afrikanische Ruanda auszufliegen, wo ihr Verfahren abgewickelt werden soll.

Diese „Externalisierung“ sei der völlig falsche Weg, meint hingegen Migrationsexpertin Melita Sunjić: „Alle in Europa sehen die Probleme der Asylpolitik, und trotzdem versucht man es immer wieder mit einem System, das nicht funktioniert.“

Schon die Überlegungen der Regierung Kurz, Asylverfahren in Albanien oder Bosnien-Herzegowina abzuwickeln, verpufften ohne Nachhall. Frankreich dachte an Asylzentren in Niger oder Tschad – alles erfolglos: Nach EU-Recht ist es nicht möglich, Asylverfahren außerhalb Europas abzuwickeln. Ausnahme Dänemark: Das Land hat sich in Migrationsfragen vertraglich Sonderwege freigehalten.

Ab nach Afrika mit Flüchtlingen? "Völlig falscher Weg"

Melita Sunjić: "Es braucht ein einheitliches europäisches Asylverfahren, das in Finnland gleich abläuft wie in Griechenland."

Ein Verfahren statt 27

Insgesamt sei das europäische Asylsystem extrem teuer, ineffizient und bringe überdies Leid für die Betroffenen, sagt Sunjić. 25 Jahre lang hat sie für das Flüchtlingshilfswerk UNHCR gearbeitet, hat fast jedes größere Flüchtlingslager der Welt gesehen, vor allem aber Fluchtrouten und -Ursachen nachgespürt. Ihre Erfahrungen führt die Migrationsexpertin gegenüber dem KURIER zur Forderung zusammen: „Es braucht ein einheitliches, europäisches Asylverfahren.“

Dabei denkt die Expertin nicht an ein gemeinsames System – das gebe es seit Jahren, sei aber ein Papiertiger geblieben. „Ich meine ein einheitliches, europäisches Verfahren, das in Finnland genau gleich abläuft wie in Griechenland oder Malta.“ 27 verschiedene Asylverfahren würden durch ein einziges ersetzt. Dadurch entstehe ein „riesiges Pool an europäischen Beamten“, die rasch überall dort einsetzbar seien, wo sie gebraucht werden.

Zudem, so die Forderung der Expertin, müssten diese gemeinsamen Verfahren stark verkürzt werden, sodass die Asylsuchenden nach genauer Prüfung schon nach kurzer Zeit Bescheid wüssten: Antrag abgewiesen – und dann müsste auch die Rückführung schnell in Angriff genommen werden – oder es besteht tatsächlich Schutzbedürftigkeit.

Asylverfahren an den Außengrenzen wünschenswert

Wo aber sollen die Asylverfahren durchgeführt erden? „Nicht in Mitgliedstaaten“, sagt Sunjić, „sondern ausschließlich dort, wo die Flüchtlinge eh schon sind: In den Aufnahmelagern an den Außengrenzen.“ Zum Beispiel in den Einreise-Hotspots wie die griechischen Inseln, Lampedusa, Südspanien, Zypern.

Migranten, die weiterzögen und in einem anderen Land erneut einen Asylantrag stellten, „werden automatisch zurückgeführt“, fordert Sunjić. Und auch die Rückführung abgewiesener Asylwerber müsste schneller, effizienter und vor allem gemeinsam vonstattengehen.

Fragt sich, warum sich angesichts der steigenden Zahl irregulärer Migranten noch immer kein einheitliches europäisches Asylverfahren durchsetzen ließ? Bisher beharrten allen EU-Staaten auf ihre eigenen Verfahren. Das Argument: Jeder Staat will selbst bestimmen, wer kommen und bleiben darf.

Dass es auch anders gehen kann, haben die EU-Staaten im Ukraine-Krieg bewiesen: Da wurde binnen weniger Tage ohne Streit eine einheitliche, wirkungsvolle Lösung für Millionen ukrainischer Flüchtlinge gefunden.

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