Arzt oder Apotheker: Wer soll Medikamente abgeben?

Arzt oder Apotheker: Wer soll Medikamente abgeben?
Die Ärztekammer will einen Ausbau der Hausapotheken. Die Apothekerkammer ist strikt dagegen. Was hinter dem Konflikt steckt.

Zuletzt musste sogar der Klimaschutz als Argument herhalten: Mehr als 14 Tonnen an CO2, verweist die Ärztekammer auf eine Studie der Linzer Kepler-Uni, ließen sich durch Hausapotheken in Arzt-Ordinationen vermeiden, weil sich Patienten längere Fahrten mit dem PKW ersparen. 

Seit Jahren tobt zwischen Ärzte- und Apothekervertreter ein Streit um die ideale Medikamenten-Versorgung. Während erstere mit dem Argument der besseren Patientenversorgung auf den Ausbau der Arzneimittel-Abgabe direkt in der Ordination pochen, wehren sich zweitere mit Händen und Füßen dagegen. 

Jüngstes Beispiel: Geht es nach Naghme Kamaleyan-Schmied, Vizepräsidentin der Wiener Ärztekammer, soll es Hausapotheken nicht nur am Land, sondern auch im engmaschig mit öffentlichen Apotheken versorgten Wien geben. „Wenn sich Eltern mit einem kranken, fiebernden Kind nach dem Arztbesuch den zusätzlichen Weg in die Apotheke ersparen können, ist das eine große Entlastung und reduziert Stress in einer ohnehin schon angespannten Situation“, ist sie überzeugt.

Die Antwort der Apothekerkammer folgte prompt: Nur Apotheken würden mit dem fachlichen Wissen und der umfassenden Erfahrung die optimale Versorgung garantieren. 

Strenge Regeln für Hausapotheken

Geregelt ist die Errichtung von Hausapotheken im Apothekengesetz. Dort ist unter anderem festgelegt, dass Allgemeinmediziner nur dann eine Hausapotheke betreiben dürfen, wenn sich in der entsprechenden Gemeinde keine öffentliche Apotheke befindet und wenn die nächste Apotheke mehr als sechs Straßenkilometer von der Ordination entfernt ist. Was in der Vergangenheit öfter schon zu zähen Rechtsstreitigkeiten und kuriosen Auswüchsen geführt hat. Etwa, dass Ärzte oder Apotheker ihren Standort in einem entlegenen Container errichteten, um die Abstandsregeln einhalten zu können.  

Zahl der Hausapotheken schrumpft

Um die Jahrtausendwende gab es noch jeweils rund 1.100 Apotheken und Hausapotheken. Mittlerweile ist die Zahl ersterer auf 1.426 geklettert (dazu kommen noch 32 Filialen), während jene der Hausapotheken wegen rechtlicher Verschärfungen auf rund 800 zurückgegangen ist. 

Aus gutem Grund habe man schon vor Jahrhunderten den Beruf des Arztes und Apothekers getrennt, argumentiert Gerhard Kobinger, zweiter Vizepräsident der Apothekerkammer. Denn es könne nicht sein, dass ökonomische Interessen einen möglichen Einfluss auf die Verschreibungspraxis des Arztes haben. 

Und die sind beträchtlich: Laut Kobinger könne ein Arzt mit einer Hausapotheke sein Monatseinkommen um 70 bis 100 Prozent aufbessern. Weshalb die Ärztekammer überzeugt ist, es würden sich viele der dringend benötigten neuen Kassenärzte finden, gäbe es Erleichterungen oder zumindest Rechtssicherheit für den Betrieb einer Hausapotheke. 

Eine Frage des Geldes

Kobinger lässt das nicht gelten: „Stattdessen soll die Ärztekammer dafür sorgen, dass die Honorierung der Hausärzte so hoch ist, dass sie nicht auf dieses zweite Standbein angewiesen sind.“ Umgekehrt könne keine Apotheke überleben, würde neben ihr eine Hausapotheke entstehen.

Und so wogt der Streit hin und her, ohne dass ein Einvernehmen in Sicht ist. „Wenn seitens der Apotheken behauptet wird, uns fehle die fachliche Qualifikation kann ich nur lachen und auf die umfassende pharmazeutische Ausbildung im Medizinstudium verweisen“, sagt Silvester Hutgrabner von der Ärztekammer. „Die medizinische Ausbildung der Apotheker, die immer mehr Aufgaben - wie etwa das Impfen - übernehmen wollen, ist jedenfalls nicht so groß.“  

Wenig Verständnis für einen Ausbau der Hausapotheken, die es außerhalb Österreichs kaum wo gebe, hat die Wiener Ökonomin Maria Hofmarcher. "Sie können zu höheren Kosten führen, weil die Gefahr besteht, dass größere Mengen an teuren Medikamenten verschrieben werden. Es fallen dazu noch Kosten für Administration und Lagerung an."

Laut Expertin könne eine Versorgung via Hausapotheke in entlegenen Bergtälern durchaus Sinn machen, für einen weiteren Ausbau sieht sie aber keine Notwendigkeit. „Anstatt um Pfründe zu streiten, sollten Ärzte und Apotheken überlegen, wie sie im Sinner der Patienten besser kooperieren können.“ 

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