"Es ist unverantwortlich, in Zeiten stark steigender Einnahmen und Zinsen den Bürgern immer neue Schulden aufzubürden", mahnt Agenda Austria-Ökonom Dénes Kucsera. In der EU haben "nur" Belgien, Italien, Frankreich und Irland höhere Schulden/Kopf als Österreich.
Diese Berechnung sorgte am Dienstag für Verwunderung auf Social Media. Denn eigentlich hat sich die Schuldenquote als relevante Größe durchgesetzt, um die Staatsverschuldung auszuweisen. Sie beschreibt die Staatsverschuldung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), also zur Wirtschaftsleistung. Dabei geht es kurz gesagt darum, wie gut Österreich in der Lage ist, seine Schulden zurückzuzahlen.
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Die Schuldenquote bleibt bis 2027 konstant über 76 Prozent. Auch das ist prinzipiell kein prickelnder Wert: Im Vorjahr wies der Budgetpfad noch darauf hin, dass die Schuldenquote bis 2027 Richtung 70 Prozent sinkt. Ein Blick in die fernere Zukunft zeichnet ein noch tristeres Bild: Laut WIFO-Berechnungen von Dezember 2022 steigt Österreichs Schuldenquote selbst bei guter wirtschaftlicher Entwicklung auf 120,6 Prozent im Jahr 2060.
Aber wie gut schneidet Österreich aktuell im internationalen Vergleich ab?
"Lasse mir Österreich nicht schlechtreden"
Österreichs Schuldenquote lag zur Jahresmitte deutlich unter dem Durchschnitt der Eurozone (90,3 Prozent des BIP) und auch unter jenem der 27 EU-Mitgliedsstaaten (83,1 Prozent). Die einsamen Schuldenquotenkaiser der EU: Nach wie vor Griechenland (166,5 Prozent) und Italien (142,4 Prozent). Deutlich über 100 Prozent liegen zudem Frankreich, Spanien, Portugal und Belgien.
"Nein", Österreich sei nicht höher verschuldet als Griechenland, kritisiert deshalb Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) die Agenda Austria und Kronen Zeitung via Video deutlich. "Das ist ja absurd und ich lasse mir Österreich sicher nicht schlechtreden." Alle "seriösen Ökonominnen und Ökonomen" und alle "seriösen Journalistinnen und Journalisten" würden wissen, dass für solche Vergleiche die Staatsschuldenquote der internationale Standard sei, sagt Brunner.
Es sei unseriös, sich nur die Pro-Kopf-Verschuldung anzusehen, meint Brunner, und wiederholt: "Und solche Vergleiche weise ich auch als absurd zurück." Österreichs Wirtschaftsleistung sei doppelt so hoch, wie jene von Griechenland: "Das heißt, für jeden Euro an Schulden tut sich Griechenland doppelt so schwer wie Österreich, ihn zurückzuzahlen." Brunners Fazit: Österreich sei im europäischen Vergleich gut durch die Krise gekommen und bleibe bei der Neuverschuldung auch unter der EU-Maastricht-Grenze von drei Prozent.
Agenda gegen Momentum
Seltene Unterstützung erhält Brunner in dieser Debatte vom Arbeiterkammer-nahen Momentum Institut. Die Agenda Austria verwende "schwindelige Zahlen", kritisiert Momentum-Ökonom Oliver Picek auf X (vormals Twitter) - und verweist ebenso auf die Schuldenquote als relevanten Wert. "Ein Managerin mit 50.000 Euro Schulden, aber drei mal so viel Jahreseinkommen wird sich sehr leicht tun, ihre Kreditraten abzubezahlen", zieht Picek einen Vergleich.
Hanno Lorenz, stellvertretender Direktor der Agenda Austria, kontert: Das Momentum Institut habe mit Wissenschaft "nicht viel am Hut", das zeige ein Blick in deren wissenschaftliche Veröffentlichungen. Die Zahlen würden nun einmal stimmen, auch wenn man über die Darstellung diskutieren könne. "Und mit alternativen Darstellungsformen kennt ihr euch auch bestens aus", so Lorenz Richtung Picek.
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