59 Prozent halten die Parteichefs für unfähig
In einer groß angelegten Studie mit 1.000 Befragten hat das Integral-Institut die Stimmungslage im Herbst 2022 in Österreich erhoben. Die Ergebnisse unterscheiden sich von jenen anderer Studien: Zum einen werden die gleichen Fragen zum Teil seit den 1990er-Jahren gestellt, sodass sich ein längerer Stimmungswandel erfassen lässt.
Zum anderen arbeitet das Integral-Institut mit den sogenannten Sinus-Milieus: Gesellschaftliche Gruppen werden nach Grundeinstellung und ihrem Selbstbild definiert.
Bei den Sinus-Milieus gibt es Neuerungen. Die bürgerliche Mitte, massiv verunsichert durch die Abfolge von Krisen, zerfällt in zwei Hälften, deren eine zunehmend zur FPÖ driftet. Es herrscht Sehnsucht nach der Vergangenheit, nach einem imaginierten Idealbild der 1980er-Jahre. Integral-Chef Bertram Barth: „Die bürgerliche Mitte wandelt sich in Richtung Rechtspopulismus und Systemkritik. ,Man will uns etwas oktroyieren. Man sagt uns nicht die Wahrheit’ sind dafür typische Aussagen.“
Den Gegenpol zu den bürgerlichen Nostalgikern bildet das Zukunftsmilieu der progressiven Realisten. Party und Protest kennzeichnet diese Gruppe, „das Leben darf nicht langweilig sein“, sagt Studienautor Martin Mayr. Sie engagieren sich für Klimaschutz und wollen sich selbstverwirklichen. Sie leben Nachhaltigkeit und Diversität.
Beste Parteinote für SPÖ
Über das aktuelle Stimmungsbild im Herbst 2022 haben die Meinungsforscher wenig Erfreuliches für die heimische Politik zu berichten. Die Frage, welche Partei grundsätzlich Lösungen für Österreichs Probleme anzubieten habe, beantworten 41 Prozent mit „keine“. In den Mitte-Milieus der bürgerlichen Nostalgiker und der Adaptiv-Pragmatischen sagt das sogar jede(r) Zweite.
Unter jenen Befragten, die den bestehenden Parteien Problemlösungen zutrauen, erhält die SPÖ die meisten Nennungen, gefolgt von den Grünen, der ÖVP, der FPÖ und den Neos. Die Grafik zeigt, in welchen Milieus die Parteien am besten abschneiden. Neos kommen nirgends auf Platz 1, sind aber bei den Postmateriellen und den progressiven Realisten recht gut angesehen.
Den Parteichefs wird noch weniger zugetraut als den Parteien: 59 Prozent der Befragten halten die Parteichefs allesamt für unfähig, Österreichs Probleme zu lösen. Die besten Werte hat mit zwölf Prozent Pamela Rendi-Wagner – gleichauf mit Herbert Kickl. Kanzler Karl Nehammer kommt auf acht Prozent.
Einiges verändert hat sich seit 2015 beim Vertrauen in die Institutionen. Der ÖGB und die Caritas führen das Ranking an, wobei die Caritas Vertrauen eingebüßt hat. Zu den Aufsteigern (von niedrigem Niveau) zählen EU-Kommission und EU-Parlament, die erstmals mehr Vertrauen genießen als die Bundesregierung. Stark abgebaut haben die katholische Kirche und große Unternehmen.
Bezüglich Corona zeigt sich, dass sich die Impfbereitschaft inzwischen auf die oberen Mittelschichten beschränkt. Dass Österreich gestärkt aus den Krisen hervorgehen wird, glauben nur 19 Prozent.
Generell ist die Stimmung im Keller. Mit 45 Prozent persönlichem Zukunftsoptimismus ist der Tiefstwert seit 1994 erreicht.
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