Sie hatten es doch allen gesagt. Jene Millionen von Uiguren, einer muslimischen Volksgruppe aus dem Nordwesten Chinas, die in so vielen Teilen der Welt Zuflucht gesucht und davon berichtet hatten, wie ihre Angehörigen in der Heimat für vorgehaltene Vergehen in strengstens bewachten Umerziehungslagern verschwinden. Oder jene ehemaligen Häftlinge, die im Ausland Asyl erhielten und von Erniedrigung, Folter und Morden sprachen.
Seit spätestens 2016 soll die chinesische Regierung systematisch daran arbeiten, die Kultur der uigurischen Minderheit in der Region Xinjiang auszulöschen. Uiguren werden mittels Gewalt gezwungen, ihren Traditionen und ihrem Glauben abzuschwören, manche Frauen sogar zwangsweise sterilisiert, um die Geburtenrate niedrig zu halten. Gleichzeitig werden Chinesen aus dem Festland gezielt in der Region angesiedelt. In Peking wird das vehement geleugnet; so, wie es auch lange hieß, es gäbe keine Umerziehungslager.
Erst seit der britische Guardian im Herbst 2020 mittels Satellitenbildern mindestens 380 solcher abgelegener Gefängnisse nachweisen konnte, hieß es von chinesischen Offiziellen: Ja, man baue in Xinjiang massenhaft Einrichtungen, allerdings zur beruflichen Weiterbildung der mehrheitlich bildungsschwachen Uiguren.
Bilder aus den Lagern
Spätestens seit Dienstag ist auch diese Lüge widerlegt. Ein internationales Recherchenetzwerk, an dem unter anderem Journalisten des Spiegel und der BBC beteiligt waren, veröffentlichte Auszüge aus einem zehn Gigabyte großen Datensatz, in dem erstmals auch Fotos aus dem Inneren zweier Umerziehungslager enthalten sind.
Darauf sind etwa Gefangene zu sehen, die unterernährt sind oder klare Spuren von Schlägen aufweisen. Andere sind mit Armen und Beinen auf sogenannten „Tigerstühlen“ fixiert, die für Folter verwendet werden.
Doch in dem Datensatz finden sich auch penibel geführte Aufzeichnungen über tausende Gefangene sowie die angeführten Gründe für deren Inhaftierung. Einer Frau wird etwa die Organisation einer nicht angemeldeten Veranstaltung vorgeworfen – wofür sie zu 16 Jahren Haft verurteilt wurde.
Angehörige der Häftlinge, die von den Journalisten im Ausland besucht wurden, bestätigten die Echtheit der Angaben. Sie alle hatten seit Jahren nichts von ihren Verwandten gehört, wurden nie über ein Urteil informiert.
Ursprünglich wurde der Datensatz dem deutschen Anthropologen Adrian Zenz zugespielt, der 2018 erstmals das Ausmaß der Uiguren-Verfolgung in China in einer Studie festhielt. Die neuerlichen Beweise zeigen, so Zenz, dass es sich „um ein systematisches Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ handle. Und weiter: „Es geht darum, diese Menschen zu assimilieren, sie innerlich zu brechen, damit sie der Partei gefügig werden und vom Staat besser kontrolliert werden können.“
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