Es war kein gewöhnlicher Staatsbesuch, das wurde schon klar, als Xi rund eine Stunde zuvor mit seinem Präsidentenflieger am Flughafen angekommen war. Viel hängt davon ab, dass er sich bei seiner erst zweiten US-Reise als Präsident wohlfühlt - auch für die US-Regierung. Zum Empfangskomitee gehörten unter anderem US-Finanzministerin Janet Yellen und Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom.
Beide kennen Xi bereits, sie waren in den Monaten zuvor nach China gereist, Newsom sogar zweimal. Auch Außenminister Anthony Blinken war im Juni in Peking, sein chinesisches Gegenüber Wang Yi kam dagegen in der Vorwoche nach San Francisco, um für seinen Staats- und Parteichef vorzufühlen. All diese Termine galten nur einem einzigen Zweck: Inmitten der diplomatischen Eiszeit wieder ein Gespräch auf höchster Ebene, zwischen Xi und Joe Biden, zu ermöglichen.
Am Mittwoch ist es endlich so weit. Offiziell setzen sich die beiden Präsidenten am Rande des Gipfels der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) zusammen, in Wahrheit wird es aber um viel mehr gehen. "Mehrere Stunden" sind laut dem Weißen Haus für das Vieraugengespräch am Nachmittag (Ortszeit) anberaumt, die ganze Bandbreite an belastenden Themen soll dabei besprochen werden.
Man konnte nicht erwarten, dass die beiden Regierungschefs einander am Ende des Tages in die Arme fallen. Dazu sind ihre Regierungen seit Jahren zu sehr auf Konfrontationskurs ausgerichtet. Das ausgesprochene Minimalziel des Treffens ist es, wieder Kommunikationskanäle zwischen dem US-Militär und der Volksbefreiungsarmee zu etablieren. So sollen künftig "Missverständnisse" vermieden, also: Ein Krieg verhindert werden. Das zeigt, auf welchem Tiefpunkt die Beziehungen sich seit dem Abschuss eines chinesischen Ballons über den USA im Februar befinden.
Joe Biden rief daher am Mittwoch dazu auf, die Beziehungen zwischen den USA und China verantwortungsvoll zu gestalten. Der Wettbewerb zwischen beiden Ländern dürfe nicht in einen Konflikt ausarten. Xi sprach von der "wichtigsten bilateralen Beziehung der Welt". Weiters sagte er, er und Biden trügen große Verantwortung für die beiden Völker, für die Welt und für die Geschichte. "Für zwei große Länder wie China und die Vereinigten Staaten ist es keine Option, sich voneinander abzuwenden." Es sei unrealistisch, "dass eine Seite die andere umgestaltet, und Konflikt und Konfrontation haben unerträgliche Folgen für beide Seiten."
Xi verwies zudem auf gemeinsame Probleme. Zwar habe sich die Welt von der Coronavirus-Pandemie erholt, trotzdem wirke sie immer noch nach. "Die Weltwirtschaft erholt sich, aber sie kommt nur langsam in Schwung."
In einem Punkt wurde bereits Einigkeit erzielt: Fentanyl
Wie US-Medien am Dienstag vorab berichteten, scheinen sich beide Seiten vorab bereits in einem anderen Punkt geeinigt zu haben. Xi und Biden wollen demnach bei ihrem Treffen ein gemeinsames Abkommen unterschreiben, das den Export von Chemikalien zur Fentanyl-Herstellung aus China beschränken soll.
Fentanyl ist eine chemische Droge, die zu den Opioiden zählt und deutlich stärker wirkt als Heroin. In den letzten Jahren nahm der Konsum in den USA in enorm zu, alleine 2022 stellte die Drogenbehörde so große Mengen sicher, dass man damit alle US-Einwohner hätte töten können. Als Ursprungsland der meisten Chemikalien, die illegal in die USA transportiert und dort zu Fentanyl verarbeitet werden, machten die US-Behörden Chemiefabriken in China aus.
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Das Abkommen ist deshalb ein Jahr vor den US-Wahlen als Riesenerfolg für Biden zu werten, ebenso wie das Treffen mit Xi. Noch dazu auf amerikanischem Boden, den Xi in seiner zehnjährigen Präsidentschaft erst einmal, 2015, betreten hatte. Doch was hat Chinas Machthaber davon?
40.000 Dollar für ein Dinner mit Xi: Elon Musk hat zugesagt
Xi kam, weil es für ihn auch darum geht, Signale an die US-amerikanische Wirtschaft zu senden. Sie soll sehen, dass er aktiv daran arbeitet, die Beziehungen zu verbessern. Viele Entwicklungen der letzten Jahre ließen amerikanische Firmen und Geschäftsleute zögern, ihr Geld in China zu investieren:
- die Einschränkung der Demokratie in Hongkong
- das Säbelrasseln gegenüber Taiwan
- die unsicheren Produktionsbedingungen der Null-Covid-Ära
- und nicht zuletzt die US-Embargos auf Produkte aus Zwangsarbeit in Chinas Uiguren-Region Xinjiang.
Gerade weil sich die chinesische Wirtschaft im ersten Jahr nach Null-Covid deutlich schlechter erholt als erwartet, ist sie auf ausländische Investitionen angewiesen. Um sie anzulocken, wird Xi am Mittwochabend an einem Bankett mit führenden amerikanischen Geschäftsleuten der teilnehmen und dort auch eine Rede halten.
Laut US-Medien werden US-Milliardäre wie Elon Musk oder Jane Fraser, Chefin der Investmentbank Citigroup, zu den Gästen gehören. Und, so berichtet es eine Quelle aus dem Veranstaltungskomitee gegenüber Reuters, bis zu 40.000 Dollar für ein Ticket bezahlen. Auch führende US-Politiker stehen demnach auf der Gästeliste.
Darüber, dass die Stimmung in den USA grundsätzlich feindselig gegenüber China ist, sollte der Termin jedoch nicht hinwegtäuschen. "Wie soll die Konversation bei diesem Dinner aussehen?", fragte Mike Gallagher, republikanischer Vorsitzender des China-Ausschusses im US-Repräsentantenhauses, stellvertretend für viele seiner Kollegen: "Wow, dieses Filet Mignon ist etwas trocken. Na ja, wie läuft Ihre widerrechtliche Verfolgung von mehr als einer Million Uiguren?"
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