Natürlich haben die Sanktionen manche Bereiche der russischen Wirtschaft empfindlich getroffen, etwa die Fluglinien, die ohne Ersatzteile aus dem Westen, nur noch alte Maschinen ausweiden können. Konsumgüter haben sich massiv verteuert und in vielen ländlichen Regionen zerfällt lebenswichtige Infrastruktur.
Doch das Ziel, Russland so unter Druck zu setzen, dass ein Fortführen des Krieges in der Ukraine nicht mehr möglich ist, haben die Sanktionen auch nach inzwischen 13 Sanktionspaketen klar verfehlt.
Wo liegen die Gründe für das Versagen?
Schleichwege
Die „Schattenflotte“ nennt man die veralteten Tanker, mit denen Russland sein Öl weiter in die ganze Welt liefert. Griechische Reeder etwa haben mit den ausrangierten Schiffen ein gutes Geschäft gemacht. So umgeht die russische Ölindustrie mit kaputten Schiffen ohne Versicherung den von westlichen Staaten verhängten Preisdeckel von 60 Dollar je Barrel und kann weiterhin Weltmarktpreise von ihren Abnehmern kassieren.
Zwischenhändler
Während das Handelsvolumen der EU mit Russland um fast zwei Drittel geschrumpft ist, boomen die Geschäfte mit Russlands Nachbarländern, bevorzugt jene, die Moskau politisch nahe stehen, wie Armenien, Kasachstan oder Kirgistan. Auf einmal kaufen diese Länder ein Vielfaches an Hochtechnologie oder Maschinen, die für die Rüstungsindustrie gebraucht werden.
Dass das alles letztlich in Russland landet, ist ein offenes Geheimnis. Auf dem umgekehrten Weg gelangt etwa russisches Holz, das ebenfalls unter Embargo steht, zu Abnehmern in Europa. Die Türkei war offensichtlich lange ein solcher Zwischenhändler für Holz, will aber diese Lücken jetzt schließen. Russische Rohdiamanten – das Land ist der weltweit größte Förderer von Rohdiamanten – werden in Indien geschliffen und verwandeln sich dort in indische Diamanten, die in den Westen geliefert werden.
Ausnahmen
Fast alle EU-Staaten haben sich Ausnahmen von den Exportsperren aus Russland ausgehandelt. So fließt russisches Gas über die bewährten Pipelines nicht nur weiterhin unbegrenzt nach Österreich, Ungarn und in die Slowakei. Keiner der drei Staaten hat seine Abhängigkeit von russischem Gas nennenswert reduziert. In Belgien und Italien arbeitet die Stahlindustrie weiterhin ungebremst mit Rohstahl aus Russland.
Frankreich hat das eigentlich überfällige Exportverbot für angereichertes Uran aus Russland erfolgreich verhindert, da das Land seine rund 80 Atomkraftwerke nicht weiter betreiben könnte. Ungarn lässt sein Akw in Paks von der russischen Firma Rossatom modernisieren und ausbauen und hebelt damit ebenfalls EU-Sanktionen aus.
Keine Geldnot
Wie alle Rohstoff-Exportgiganten hat auch Russland durch seinen Öl- und Gasreichtum keinen Mangel an Devisen. Daher kann man sowohl das Einfrieren des Auslandsvermögens der russischen Staatsbank verkraften als auch die Sanktionen gegen andere russische Banken. Da diese Banken aber in vielen Staaten des Globalen Südens – etwa Indonesien, oder Südafrika – riesige Geschäfte finanziell abwickeln, können Europa und die USA dort ihre Bankensanktionen kaum umsetzen. Schließlich betrachtet man dort den Krieg in der Ukraine ohnehin grundsätzlich anders und will sich daher gerade bei Geschäften mit Russland nicht dreinreden lassen.
Tricks und Schleichwege
Eigentlich sollen alle Immobilien russischer Oligarchen auf den Sanktionslisten in der EU konfisziert werden. Viele davon aber wechselten mithilfe komplexer Konstruktionen den Besitzer, etwa Besitztümer des Putin-Vertrauten Arkady Rotenberg, oder von Putins Ex-Frau Lyudmila Ocheretnaya, die eine Villa im französischen Biarritz hat. Um die Konten der Oligarchen, etwa bei Londoner Banken, kümmerten sich Finanzdienstleister auf Zypern, traditionell der Hafen für Geld aus Russland. Viele Spuren der Oligarchen wurden bei undurchschaubaren Transfers verwischt.
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