Will China in der Ukraine Frieden vermitteln oder Waffen an Russland liefern?
Seit Wochen steht es schlecht um das Verhältnis zwischen China und den Vereinigten Staaten, am Wochenende kam es am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz zur lange ersehnten Aussprache zwischen US-Außenminister Anthony Blinken und dem chinesischen Chefdiplomaten Wang Yi.
Wang hatte zuvor in einer Rede erstmals erklärt, dass China zwischen den Kriegsparteien Russland und der Ukraine als Vermittler eintreten und in Kürze einen Friedensvorschlag präsentieren wolle. Im Anschluss an das Gespräch erklärte Blinken dann plötzlich, die US-Regierung hätte gegenteilige Informationen, wonach China Waffenlieferungen an Russland erwäge.
Welches Ziel verfolgt China nun im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine? Was werfen beide Großmächte einander vor? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Was hat China bei der Münchner Sicherheitskonferenz vorgeschlagen?
Chinas wichtigster Diplomat Wang Yi, bis 1. Jänner selbst Außenminister, seither außenpolitischer Chefideologe innerhalb der Kommunistischen Partei, erklärte am Wochenende, dass seine Nation in Kürze einen Friedensvorschlag für den Krieg in der Ukraine präsentieren würde.
"Wir werden etwas vorlegen. Und zwar die chinesische Position zur politischen Beilegung der Ukraine-Krise. Wir werden auf der Seite des Friedens und des Dialogs standfest bleiben", so Wang am Samstag bei einer Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Wie genau dieser Plan aussehen könnte, ließ Wang offen.
Am Montag landete der Vertraute von Chinas Präsidenten Xi Jinping dann in Moskau, wie die russische Zeitung Kommersant berichtete. Allerdings wollten das weder das russische, noch das chinesische Außenministerium bestätigen. Internationale Medien berichten unter Berufung auf diplomatische Quellen, dass Wang mit der russischen Führung Gespräche darüber führen will, unter welchen Bedingungen ein Frieden mit der Ukraine möglich wäre.
Wie wahrscheinlich wäre ein Frieden unter Vermittlung Chinas?
Aktuell wohl äußerst unwahrscheinlich. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) erklärte etwa auf der Münchner Sicherheitskonferenz gegenüber dem KURIER, beide Kriegsparteien wären momentan darauf aus, eine Entscheidung auf dem Schlachtfeld herbeizuführen.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba reagierte noch am Samstag äußerst verhalten auf Wangs Ankündigung eines Friedensvorschlags. Es sei zwar im Interesse der Ukraine, dass China seine Vermittlerrolle wahrnimmt, so Kuleba. Dass sein Land für den Frieden mit Gebietsverlusten an Russland bezahlen würde, stehe aber "außer Frage": "Es sind keine Kompromisse möglich, nicht über den geringsten Quadratmeter."
Woher kommen die Gerüchte, China würde Waffen an Russland liefern?
Hochrangige Vertreter der US-Regierung brachten diese Vorwürfe im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz auf. Im Anschluss an ein direktes Gespräch mit Chinas Chefdiplomat Wang Yi erklärte US-Außenminister Anthony Blinken gegenüber US-Medien, amerikanische Geheimdienste hätten in Erfahrung gebracht, dass die chinesische Führung Waffenlieferungen an Russland vorbereite.
"Die Sorge, die wir jetzt auf Grundlage der uns vorliegenden Informationen haben ist, dass sie die Bereitstellung tödlicher Unterstützung erwägen", sagte Blinken etwa im Anschluss an das bilaterale Gespräch im US-Fernsehsender CBS. Mit tödlicher Unterstützung meine er "alles, von Munition bis zu den Waffen selbst". Er habe Wang daher vor "Konsequenzen" gewarnt, sollte China diese rote Linie überschreiten.
Auch US-Vizepräsidentin Kamala Harris hatte zuvor bei einer Rede in München die chinesische Führung davor gewarnt, Waffen oder Kriegsgerät an Russland zu liefern. Wie die New York Times unter Berufung auf US-Diplomaten berichten, sollen die Verantwortlichen in Washington die Geheimdienst-Informationen auch deshalb öffentlich gemacht haben, weil sie angesichts der frostigen Gesprächsbasis mit der chinesischen Führung "verzweifelt" seien.
Wie reagierte China auf die Vorwürfe?
Wang Wenbin, der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, der regelmäßig für angriffige Sager vorgeschickt wird, erklärte am Montag, die Vorwürfe der US-Regierung seien "Falschinformationen". "Es sind die USA und nicht China, die ständig Waffen auf das Schlachtfeld schicken", so Wang.
China habe Russland dagegen nicht mit Waffen versorgt und werde es auch weiterhin nicht tun. Stattdessen bemühe sich die chinesische Führung intensiv, "den Frieden zu fördern und den Dialog zu unterstützen", sagte Wang und schloss mit den Worten: "Die Vereinigten Staaten können keine Forderungen an China stellen."
Chefdiplomat Wang Yi hatte bereits zuvor bei seiner Rede vor der Münchner Sicherheitskonferenz der US-Regierung eine "Schmutzkübelkampagne" gegen China vorgeworfen. Die USA täten alles in ihrer Macht stehende, um Chinas Position in der Welt einzuschränken und andere Länder gegen die Volksrepublik aufzubringen.
Hat China Russland seit Kriegsbeginn mit Militärtechnologie versorgt?
Nicht direkt. Waffen oder Militärgerät lieferten chinesische Konzerne ganz bewusst nicht an Russland. Allerdings hat sich das Handelsvolumen zwischen beiden Staaten seit Kriegsbeginn massiv erhöht. Das führte auch zu einem enormen Anstieg beim Export von Elektronik, die zwar offiziell kommerziellen Zwecken dient, aber auch bei Kriegsgerät Verwendung findet. Somit unterstützten chinesische Konzerne die russische Invasion indirekt.
Wie das Wall Street Journal bereits Anfang Februar berichtete, lieferten chinesische Konzerne seit Kriegsbeginn etwa deutlich mehr Ersatzteile für Zivilflugzeuge nach Russland, die genauso gut in Kampfjets vom Typ Su-35 eingebaut werden können, wie sie die russische Armee besitzt. Zudem gebe es massive Anstiege beim Export von Antennen, wie sie für eine Reihe von Kriegsfahrzeugen nützlich sind, oder kommerzielle chinesische Drohnen, die von Russland zur Aufklärung eingesetzt werden können.
US-Außenminister Blinken betonte am Sonntag explizit, dass man in Washington schon länger von diesen "nicht tödlichen" Lieferungen wisse und diese auch dulde. Die "rote Linie", nämlich "tödliche" Lieferungen von Waffen oder Kriegsgerät, hätten chinesische Firmen bisher tunlichst nicht überschritten. Nun stünde man in Peking aber kurz davor, so Blinken.
Was wäre in Chinas Interesse?
Trotz der vor knapp einem Jahr zwischen den Präsidenten Xi Jinping (China) und Wladimir Putin (Russland) in Peking unterzeichneten "grenzenlosen Partnerschaft" gab sich China im Umgang mit dem Krieg in der Ukraine im vergangenen Jahr stets ambivalent. Offiziell bezeichnet die chinesische Führung ihre Haltung als "neutral".
So nahm bisher zwar kein chinesischer Offizieller jemals das Wort "Invasion" in den Mund oder verurteilte den russischen Einmarsch, andererseits betonten Diplomaten regelmäßig die "territoriale Integrität" und "nationale Souveränität" der Ukraine und verurteilten Androhungen von Atomwaffen-Einsätzen durch Russland.
Chinas politische Beziehung zu Russland ist zwar deutlich enger als zu den meisten anderen Ländern weltweit, der Handel mit dem nördlichen Nachbar ist aber verschwindend gering im Vergleich zu den wirtschaftlichen Verflechtungen der Volksrepublik mit Europa oder den USA. Ein rasches Ende des Konflikts wäre für das Reich der Mitte, das von der globalen Situation vor dem Ausbruch des Krieges massiv profitierte, daher wirtschaftlich wie politisch von Vorteil.
Auch, wenn sie aktuell wenig aussichtsreich scheinen, wirkt daher ein Versuch einer Friedensvermittlung aus chinesischer Sicht durchaus logisch, solange man Russland damit nicht vergrämt. Als letzter verbliebener großer Partner Moskaus dürfte man sich allerdings einiges erlauben können.
Waffenlieferungen an Russland könnten umgekehrt zwar die Achse Moskau-Peking stärken und ein deutliches Signal an die Welt sein, dass man in China zu seinem Wort steht; die möglichen Folgen, darunter auch westliche Sanktionen, würden der angeschlagenen chinesischen Wirtschaft aber enorm schaden.
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