Kalifat mit Atomwaffen: So tickte der Al-Kaida-Chef Zawahiri

Kalifat mit Atomwaffen: So tickte der Al-Kaida-Chef Zawahiri
Der Nachfolger Osama bin Ladens wurde von US-Drohnen getötet - sein Erbe lebt weiter.

Ein Kalifat mit Atomwaffen, bestehend aus Pakistan, Afghanistan, dem Iran, der Türkei sowie den Zentralasiatischen Staaten war sein Ziel. Von dort aus sollten sich „alle Muslime zu einer Reconquista“ vereinigen und die muslimischen Länder, von Indonesien bis Spanien erobern.

Aiman az-Zawahiri, oft als das Gehirn der Terrororganisation Al Kaida bezeichnet, machte in seinem 2001 erschienenen Buch „Ritter unter dem Banner des Propheten“ keinen Hehl aus den Ambitionen – im Großen wie im Kleinen: „Man kann einem Amerikaner oder einem Juden stets auf der Straße nachschleichen und ihn mit einem Revolverschuss oder Messerstich, mit einem selbstgebastelten Sprengsatz oder mit einem Hieb mit einer Eisenstange töten. Ihr Eigentum mit einem Molotowcocktail in Brand setzen, geht ganz leicht. Mit den verfügbaren Mitteln können kleine Gruppen unter den Amerikanern und Juden Angst und Schrecken verbreiten“, rief er seine Glaubensbrüder zu Attentaten gegen die „Kreuzfahrer“ auf.

Zu diesem Zeitpunkt hatte er, gemeinsam mit Osama bin Laden, sein erstes Ziel erreicht: Er hatte den islamistischen Terror internationalisiert. Nach wie vor ist seine Ideologie in Manifesten verschiedenster islamistischer Terrororganisationen zu finden, die sich derzeit vor allem auf den globalen Süden konzentrieren und an ihrer Gefährlichkeit nichts verloren haben. Auch wenn Zawahiri am Wochenende von US-Drohnen getötet wurde – sein Erbe lebt in den Köpfen unzähliger Islamisten weiter.

Bereits mit 15 Jahren wollte der Ägypter mit einer Gruppe Gleichgesinnter die Regierung in Kairo stürzen, zu Zeiten der Ermordung des ägyptischen Präsidenten Anwar al Sadat im Jahr 1981 war Zawahiri Mitglied der Terrororganisation „al-Dschihad“ – die damals das Attentat durchführte und später in Al Kaida aufgehen sollte.

Kampf gegen eine Supermacht

In Afghanistan versorgte der Arzt Mujahedin im Kampf gegen die Sowjetunion, sah, dass es möglich war, gegen eine Supermacht zu bestehen: „Dieser Dschihad war ein Trainingskurs für die muslimische Jugend für den künftigen Kampf mit der Supermacht, die jetzt die einzige Führungsmacht in der Welt ist, Amerika“, schrieb er in den Neunzigern.

Zuvor war sein Fokus auf dem Sturz der ägyptischen Regierung gelegen, doch nachdem 1997 ein blutiges Massaker an 62 Touristen im ägyptischen Luxor – auch ein fünfjähriges Mädchen wurde niedergemetzelt – nicht den Rückhalt der Bevölkerung erfuhr, änderte er seine Doktrin: Nun solle der „Sieg über den fernen Feind – die USA – die Vorstufe zum „Sieg über die vom Westen gestützten, arabischen Regierungen“ führen.

Zawahiri begann, den islamistischen Terror zu globalisieren, vereinigte 1998 seine Terrororganisation „al-Dschihad“ mit jener von Osama bin Laden. Hunderte Menschen starben bei Anschlägen gegen US-Botschaften in Afrika, ehe die Terroranschläge vom 11. September 2001 die Welt erschütterten.

Die darauffolgenden Kriege der USA gegen Afghanistan und den Irak bildeten den Nährboden für neue Organisationen. Abu Musab al-Zarqawi etwa legte den Grundstein für die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Auch nach 9/11 setzte Al Kaida ihre blutigen Anschläge fort: Bali, Mombasa, Riad, Jakarta, Istanbul, Madrid, London – überall verübten die Terroristen Anschläge.

Als Zawahiri nach der Tötung Osama bin Ladens die Führungsrolle der Al Kaida übernahm, sorgte das allerdings für Verwerfungen mit anderen Netzwerken islamistischen Terrors, die kurze Zeit später in einem offenen Kampf zwischen dem syrischen Al Kaida-Ableger „Al Nusra-Front“ und dem IS. Der IS lehnte Zawahiri schon allein deshalb ab, weil er im Gegensatz zu Abu Bakr al Baghdadi (vom US-Militär am 27. Oktober 2019 getötet) kein Geistlicher war.

Kalifat mit Atomwaffen: So tickte der Al-Kaida-Chef Zawahiri

Zawahiris größte Niederlage war allerdings – zumindest aus Sicht der Terroristen -, dass er die Muslime nach den Umstürzen des Arabischen Frühlings nicht unter dem Banner des islamischen Dschihad vereinte. Ihm habe es an Charisma gefehlt, urteilten Wegbegleiter.

Seither kämpfen zwei Organisationen um die Vorherrschaft des islamistischen Terrorismus – und beide verfügen über ein globales Netzwerk.

Während Al Kaida als Organisation islamistischer Eliten gegründet worden war, versteht sich der IS als „Graswurzelbewegung“, als Möglichkeit, gegen „die Ungläubigen da oben“ zu kämpfen. Egal ob schiitische, christliche oder laizistische Regierungen – alles ist der Feind. 

Von der Sahelzone bis Somalia, vom Jemen bis Afghanistan, von Indonesien bis zu den Philippinen – regelmäßig erschüttern Anschläge die Regionen, in Mali etwa ist ein IS-Ableger derzeit auf dem Vormarsch.

Daran dürfte auch die Tötung eines der meistgesuchten Islamisten der Welt nicht viel ändern. Denn sein Nachfolger wird seine Ideologie weiterhin in die Köpfe junger Männer pflanzen – egal ob in Europa, Afrika oder anderswo auf der Welt.

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