Seit einigen Jahren ist der Schmuggel von Migranten Richtung Europa immer lukrativer für sie, aber auch der Kokainschmuggel hat stark zugenommen. Mit der Ausbreitung der Terrorgruppen El Kaida und „Islamischer Staat“, deren Ideologien vor allem bei den Nomadenvölkern auf fruchtbaren Boden fallen, hat sich die Lage in der Sahelzone drastisch verschärft.
Im Jahr 2020 starben mindestens 7.000 Menschen infolge terroristischer Anschläge, heuer dürften es mehr werden. Mehr als 1,5 Millionen Menschen in der Region sind innerhalb der Grenzen auf der Flucht. Missionen wie die französische „Barkhane“ und das Bündnis von Spezialeinsatzkräften unterschiedlicher Europäischer Staaten, die Task Force TAKUBA, sollten den Terroristen Einhalt gebieten. Am Donnerstag beschloss Emmanuel Macron, seine Soldaten aus Mali abzuziehen. Die UN-Mission MINUSMA hat den Schutz der Zivilbevölkerung in ihrem Mandat und die EU-Trainingsmission in Mali (EUTM-Mali) soll die malischen Streitkräfte zukünftig zur Erfüllung dieser Aufgaben befähigen.
Putsche
Im Mai dieses Jahres passierte es ein zweites Mal binnen neun Monaten: Offiziere nahmen den Präsidenten und den Regierungschef Malis fest. Bereits im August 2020 hatten Militärs den damaligen Präsidenten Ibrahim Boubacar Keita zum Rücktritt gezwungen. Die im Mai festgenommenen Regierungsvertreter gehörten einem Übergangsrat an, der Mali innerhalb von 18 Monaten zu Wahlen führen sollte. Für den neuen Putsch verantwortlich waren dieselben Militärkreise, die bereits Keita abgesetzt hatten.
Zwei Militärputsche innerhalb kurzer Zeit machen es für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron zusätzlich schwierig, einen verlässlichen Partner zu finden. Aus diesem Grund hatte er schon damals nach dem Putsch für einen Monat die militärische Zusammenarbeit mit Mali ausgesetzt und die französische Operation „Barkhane“ kurzzeitig gestoppt.
Neue Probleme kamen, als sich die Junta weigerte, Neuwahlen auszurufen. Und einen freundlicheren Kurs gegenüber Russland einschlug. Die Wurzeln des Misstrauens gegenüber Frankreich liegen allerdings auch in der Entkolonialisierung Malis – haben die Franzosen doch ihren Anteil an den ethnisch unterfütterten Rivalitäten im Land. In einigen Teilen der malischen Bevölkerung genießt die neue politisch-militärische Führung in Bamako breiten Rückhalt. Jedoch kursieren Berichte über Menschenrechtsverletzungen seitens der malischen Armee gegenüber Minderheiten. In einigen Gebieten werden daher Aufständische der regulären Armee vorgezogen.
Klimawandel
Die Sahara frisst sich weiter nach Süden vor und lässt Jahr für Jahr Acker- und Weideland verschwinden. Es regnet immer weniger und wenn, dann zu stark. Wasserknappheit, Extremwetterereignisse wie Dürren oder Starkregen, ein härter werdender Wettkampf um Land – die Auswirkungen des Klimawandels sind längst spürbar. Gerade in der Sahelzone bildet sich Ödland – die Bauern (etwa die Mande) und die Hirtenvölker (Fulani) treffen notgedrungen immer öfter aufeinander, ethnische Konflikte stehen an der Tagesordnung.
Seit 1960 steigt die Temperatur im Land jährlich um 0,7 Grad Celsius. Forscher des renommierten Stockholm International Peace Research Institute haben vor kurzem untersucht, welchen Einfluss der Klimawandel auf die Friedensmissionen in Mali hat. Ihr Ergebnis aus 50 Interviews mit Experten und lokalen MINUSMA-Mitarbeitern: Extremismus, Konflikte und Gewalt sind eine Folge des Klimawandels oder werden durch diesen weiter verstärkt.
Die UNO kommt zum Schluss, dass die internationalen Einsätze ohne Hilfe von Klima-Experten nicht zum gewünschten Erfolg führen dürften.
Demografie
Lebten in Mali Anfang des Jahrtausends noch zehn Millionen Menschen, sind es heute 20 Millionen. Noch immer bekommen Frauen in der Sahelzone im Schnitt mehr als fünf Kinder – mehr als in jeder anderen Weltregion. In Mali etwa wächst die Bevölkerung jährlich um drei Prozent. Wohlstandsgewinne für den Einzelnen sind da auch bei rasantem Wirtschaftswachstum kaum möglich.
Von 2009 bis 2019 ist die durchschnittliche Lebenserwartung um fast fünf Jahre gestiegen, was auch der Hilfe westlicher Organisationen zu verdanken ist. Das Durchschnittsalter in Mali beträgt dennoch 16,3 Jahre, damit ist das Land nach Niger (15,2) das jüngste Land der Welt. Vor allem in Zusammenhang mit der zunehmenden Verwüstung der fruchtbaren Böden wird dieses Wachstum unweigerlich zu einer weiteren Verschlechterung der Lage führen – sei es in puncto Versorgung oder Sicherheit.
Aufgrund ihrer Perspektivenlosigkeit bieten viele junge Männer einen fruchtbaren Rekrutierungsnährboden für islamistische Terrororganisationen: Viele schließen sich den Dschihadisten freiwillig an. Diese bieten ihnen nicht nur Lohn und Brot in einer vom Staat vernachlässigten und wirtschaftlich schwachen Region, sondern auch Platz in einer Gemeinschaft und Macht.
Viele Akteure
Vor allem Frankreich, das nicht zuletzt seit 2013 viel Engagement in der Region zeigt, hat mit vielen Problemen zu kämpfen. Wurde Ex-Präsident Francois Hollande nach der Befreiung Timbuktus im Februar 2013 von der Bevölkerung noch als „Papa Hollande“ gefeiert, mehren sich die Demonstrationen gegen die „Besatzungsmacht Frankreich“. Ende September erzürnte die Regierung in Bamako Paris, als sie die russische „Wagner Gruppe“ um Unterstützung bat. Für Paris ein schier unverzeihlicher Affront. Teile der Mai-Putschisten waren in Russland militärisch ausgebildet worden.
Doch nicht nur Russland hat seinen Einfluss verstärkt, auch die Türkei, Katar und Algerien mischen mit. Vor allem Katar und die Türkei lassen Koranschulen bauen, um ihre Auslegung des Islam – jener der Muslimbrüder – weiter in der Bevölkerung zu verbreiten.
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