Sie brüllten sich an, pfiffen sich aus und überschütteten einander sogar mit Wasser: Das Parlament im slowakischen Bratislava wurde Dienstagabend zum Schauplatz einer ziemlich handfesten Debatte. Die linkspopulistische Opposition, die einst, an der Regierung, mit Moskau gut Freund war, protestierte gegen den neuen Militärvertrag mit den USA. Dass man dabei mit einer rechtsradikalen Kleinpartei gemeinsame Sache machte – die können die USA auch nicht leiden –, ließ die Sache noch unschöner aussehen.
Putin spielt seine Karten
Der Militärvertrag und damit auch die Handgreiflichkeiten sind nur eine direkte Folge der aktuellen Ukraine-Krise. Doch was in unserem Nachbarstaat die politischen Gräben aufgehen lässt, das spaltet in diesen Tagen ganz Europa von West nach Ost. Und Moskau spielt geschickt und mit viel Geduld seine Karten, um die Europäer auseinanderzubringen. Und das ist der Frontverlauf:
Die Ex-Satellitenstaaten
Litauens Premierministerin Ingrida Simonyte spricht vor einem „1938-Moment“, erinnert also daran, dass Ostmitteleuropa im Zweiten Weltkrieg zwischen Hitler und Stalin zerrieben wurde. Ängste, die für die Staaten des Baltikum – alle drei ehemalige Sowjetrepubliken – ohnehin ständig präsent sind und jetzt wieder akut werden. Sie haben alle große russische Minderheiten, die in vielen Bereichen diskriminiert und von Moskau zumindest über russische Medien beeinflusst werden. Als NATO-Mitglieder drängen sie auf mehr westliche Truppen im Land und auf eine harte Linie gegen Russland. Auch Polen – ohnehin traditionell – ein enger Verbündeter der USA, macht Front gegen Moskau und schickt schwere Waffen in die Ukraine: Granatwerfer, Drohnen. Auch die derzeitige rechtsliberale Regierung in Prag fährt eine harte Linie gegenüber Russland.
Die Transatlantiker
Großbritannien rückt nach dem Brexit noch näher an Washington heran und steuert zur Zeit eine fast noch härtere Linie gegen Russland als der große Verbündete über dem Atlantik. Man schickt Waffen in die Ukraine, betreibt eine Ausbildungsmission für die ukrainische Armee und verstärkt – im Rahmen der NATO – die britischen Truppen in den baltischen Staaten. Öl oder Gas aus Russland spielt für die Briten ohnehin nur eine untergeordnete Rolle.
Grande Nation ganz groß
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron steht vor Wahlen in zwei Monaten, also bedient er die tief sitzenden traditionellen Gefühle seiner Landsleute. Die sind gegenüber Amerikanern und Briten ohnehin skeptisch und wollen sich auch in der NATO nicht bevormunden lassen. Also steuert er – nach dem Muster von Amtsvorgängern wie Charles de Gaulle – einen eigenen Kurs gegenüber Moskau.
Die Idee der „Finnlandisierung“ der Ukraine – also eine Art Neutralität – will Macron plötzlich gar nicht aufs Tapet gebracht haben. Doch seit seinem betont geheimen Vier-Augen-Gespräch mit Putin in Moskau steht diese Idee im Raum. Ganz im Sinne des russischen Präsidenten, der Ähnliches vom Westen gefordert hat. Waffen verkaufen die Franzosen trotzdem großzügig an die Ukraine
Putins Günstling
Ungarns Premier Viktor Orbán, der ja in Europa ohnehin gerne den bösen Buben markiert, steuert längst auf einem Sonderweg gegenüber Moskau. Bei einem Besuch bei Putin, mitten in der Krise um die Ukraine, verkniff er sich jede ernste Kritik – und wurde dafür, wie auch schon bisher, ordentlich belohnt: Russland liefert Ungarn Atomtechnologie für seine AKW und Erdgas zum bevorzugten Tarif.
Wien, Berlin und das Gas
Die russisch-deutsche Pipeline Nord Stream 2, an der die heimische OMV als wichtiger Investor beteiligt ist, lässt die Politik in Wien und Berlin einen Eiertanz aufführen. Die ÖVP-Regierungsspitze erklärt die Pipeline zu einem Projekt, das mit Politik nichts zu tun habe und so für Sanktionen gegen Russland nicht in Frage komme. Auch Deutschlands SPD-Kanzler Olaf Scholz ist mit Wegducken beschäftigt. Selbst als US-Präsident Biden für den Fall eines russischen Angriffs auf die Ukraine das Aus für Nord Stream 2 verordnete, wollte Scholz nicht Stellung beziehen.
Für Russland, das Nord Stream 2 immer als politisches Projekt gehandhabt hat – schließlich umgeht man damit die Ukraine – ein geeigneter wirtschaftlicher Hebel, um weiter Zwietracht in Europa zu säen. Zwischen Polen und Deutschland dauert der Streit um die Pipeline ohnehin schon Jahre an.
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