Nach einer Schaltkonferenz mit den NATO-Verbündeten Dienstagabend hatte Scholz zu einer Pressekonferenz gerufen. Viel Neues wurde nicht gesagt: Deutschland bleibt beim Nein zu einem Öl- und Gasembargo und bei seinem Nein zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Es werde "keine Alleingänge Deutschlands geben", so Scholz. Dabei scheint man diesen Weg längst eingeschlagen zu haben.
Denn während andere NATO-Länder bereits zum wiederholten Mal schwere Waffen an die Ukraine liefern – darunter die USA, Großbritannien, Kanada, die Niederlande und Belgien – , lässt Deutschland weiterhin davon ab und kündigt an, lieber Rüstungsbestellungen aus der Ukraine bei der deutschen Industrie finanzieren zu wollen: "Wir haben die deutsche Rüstungsindustrie gebeten, uns zu sagen, welches Material sie in nächster Zeit liefern kann", so Scholz. Die Ukraine dürfe aus dieser Liste eine Auswahl an Waffen treffen, "wir stellen ihr das für den Kauf notwendige Geld zur Verfügung."
Streit um Waffenbestand
Melnyk zufolge würden allerdings genau jene Waffen, die nach Ansicht einiger Experten für einen Gegenangriff auf die russischen Streitkräfte im Donbass benötigt würden, auf der Liste fehlen. Der ukrainische Botschafter spricht von schwerem Artilleriegeschütz wie der Panzerhaubitze 2000. 120 Stück soll die deutsche Bundeswehr davon besitzen.
Scholz betont, Deutschland habe bereits alle entbehrlichen Waffen aus den Beständen der Bundeswehr an die Ukraine geliefert. "Wir müssen erkennen, dass die Möglichkeiten, die wir haben, an ihre Grenzen stoßen", sagte er.
Auch diese Aussage weist Melnyk zurück: Neben dem Artilleriegeschütz verfüge die Truppe über mehr als 400 Marder-Schützenpanzer, von denen etwa 100 sofort an die Ukraine übergeben werden könnten, und 800 Fuchs-Transportpanzer.
Die Bundeswehr widerspricht den Aussagen des Botschafters: Jede weitere Lieferung aus eigenen Beständen würde die Einsatzfähigkeit innerhalb der NATO-Verpflichtungen beeinträchtigen, erklärte der stellvertretende Bundeswehr-Generalinspekteur Markus Laubenthal gegenüber ARD und ZDF. Einen Großteil der Waffen, etwa den Schützenpanzer Marder, wolle man jedoch, sofern Ersatzteile benötigt würden, der Ukraine dafür zur Verfügung stellen.
Deutsche für Waffenlieferung
Währenddessen verliert der Kanzler auch bei der eigenen Bevölkerung an Beliebtheit: Scholz liegt in aktuellen Umfragen hinter Außenministerin Annalena Baerbock und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Beide gelten im Moment als die starken Figuren im Kabinett: Baerbock aufgrund ihres entschlossenen Auftretens am internationalen Parkett, Habeck punktet mit klaren, öffentlichen Aussagen. Zugute scheint ihnen auch ihre Position bei der Streitfrage Waffenlieferung zu kommen: Beide sprachen sich zuletzt dafür aus – genauso wie laut einer RTL-Meinungsumfrage 55 Prozent der deutschen Bevölkerung.
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