"Baerbock gehört zu einer Generation Frauen, denen der Weg bereitet wurde von Älteren, die noch zu hören bekamen, dass es besser sei, die Spiele der anderen mitzumachen", bilanziert der deutsche Spiegel. Die Ältere ist Angela Merkel. Die anderen waren – und sind immer noch – meistens Männer.
Kinder statt Wodka
Merkel passte sich an: sowohl in der Art und Weise, Politik zu machen, als auch im Erscheinungsbild, trug Blazer und Hosen, und machte ihr Geschlecht kaum zum Thema. Baerbock schlug einen anderen Weg ein, wirbt für feministische Außenpolitik, trägt Kleider und hohe Schuhe, kommt auf Kinder zu sprechen. Macht daraus eine Stärke, keine Schwäche: Als ihr der russische Außenminister Sergej Wiktorowitsch Lawrow einen Wodka anbietet, lehnt sie ab: Man habe ihr schon vor Jahren in Russland gesagt, wenn sie nicht härter und trinkfester werde, könne aus ihr nie eine Spitzenpolitikerin werden. "Wenn mittags Wodka Trinken der Härtetest ist ... Ich habe zwei Kinder geboren."
Ist das ihre Auffassung feministischer Außenpolitik?
Kritiker reduzieren feministische Außenpolitik auf den Fokus auf das weibliche Geschlecht. Genau das wollte Merkel immer vermeiden. Deswegen lieber ganz die Finger davon lassen, schien ihr Ansatz gewesen zu sein.
Auch Baerbock will nicht darauf reduziert werden, wollte keine Blumensträuße als Geschenke bei ihrer ersten Reise in den Balkan: Schließlich hätten ihre Vorgänger auch keine Blumen bei diversen Antrittsbesuchen bekommen. Für die Grünenpolitikerin ist feministische Außenpolitik mehr: wertebasierte Politik für alle Menschen, nicht "nur" Frauen, inklusive sozialer und ökologischer Gerechtigkeit. "Klimakrise – das bedeutet für eine Mutter, dass sie nicht weiß, was sie ihren Kindern am Abend zu essen geben wird. Dass ein Vater sich darum sorgt, dass sein Sohn sich extremistischen Schergen anschließt", schreibt sie auf ihrem Twitter-Account nach ihrem Besuch der Abdou-Moumouni-Universität Niamey im Niger.
Wie dieser Weg in einer globalisierten, ökonomisierten Welt gelingen soll, ist fraglich. Sie versucht es trotzdem.
Echtes Selbstbewusstsein?
Seit Neuestem umfasst feministische Außenpolitik auch Waffenlieferungen in die Ukraine. Lange hat sich Deutschland dagegen verwehrt, jetzt gehören die Grünen zu den lautesten, die danach rufen. "Ich mach mein Ding nach bestem Wissen und Gewissen", sagte die 41-Jährige unlängst in einem Interview. Baerbocks Auftreten ist selbstbewusst, oft unüberlegt, ihre Aussagen bleiben hängen. Ist das echt? Oder denkt sie, als Frau in einer Männerwelt müsse sie zwangsläufig selbstsicher wirken?
So oder so scheint es zu wirken: Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in den Umfragen verliert, mit parteiinternen Meinungsunterschieden zu russischen Energieimporten und der ukrainischen Ausladung des deutschen Bundespräsidenten hadert, scheint sich Baerbock den Respekt der Deutschen erarbeitet zu haben.
Drei Monate wie drei Jahre
Zuerst sah man sie schon als Kanzlerin Deutschlands, dann folgte ein holpriger Wahlkampf im Vorjahr, den sie sich teils selbst zuzuschreiben hatte: Ungenauigkeiten im Lebenslauf, abgekupferte Passagen im eigenen Buch. Nach der Wahl musste Baerbock Platz machen für Robert Habeck, wurde "nur" Außenministerin, nicht Vizekanzlerin.
Doch sie scheint ihren Weg und ihren Stil gefunden zu haben: In den letzten Beliebtheitsumfragen im März führte sie das Ranking an, ihre Popularität hat im Vergleich zum Anfang des Jahres massiv zugenommen: Zeigten sich damals nur 20 Prozent der Menschen mit ihrer Arbeit eher oder sehr zufrieden, sind es nun fast 50 Prozent.
"Ich bin erst drei Monate im Amt, aber es fühlt sich an wie drei Jahre", sagte sie Anfang März.
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