Gibt es Kritik an einem neuen Amtsenthebungsverfahren? Juristen warnen davor, dass Trumps Rede vor dem Sturm auf den Kongress keinen expliziten Aufruf zur Gewaltanwendung enthielt und somit unter Redefreiheit fallen könnte. Sie raten dazu, Trump mit einer möglichst breit getragenen Kongress-Resolution einen förmlichen Tadel zu erteilen. Den Demokraten ist das viel zu lasch.
Wie gehen die Demokraten vor? Sie haben am Montag im Repräsentantenhaus eine Resolution für eine Amtsenthebung von Präsident Donald Trump eingereicht. Der Impeachment-Text, in dem Trump wegen des Sturms auf das Kapitol "Anstiftung zum Aufruhr" vorgeworfen wird, wurde in der Kongresskammer vorgelegt. Gleichzeitig riefen sie Vizepräsident Mike Pence auf, Trump abzusetzen. Er könnte im Kabinett die Amtsunfähigkeit Trumps nach dem 25. Zusatzartikel der Verfassung feststellen lassen. Kneift er, läuft die „klassische Amtsenthebung“ weiter. Bis Ende dieser Woche könnte das Repräsentantenhaus Trump nach der Ukraine-Affäre zum zweiten Mal „impeached“ haben. Die Mehrheiten dafür sind da.
Wäre Trump damit Geschichte? Die absehbare Zustimmung im „House“ für ein Impeachment ist nur die halbe Miete. Der 100-köpfige Senat ist die entscheidende Instanz. Hier müsste eine Zweidrittelmehrheit her. Die Demokraten benötigen dazu 17 Republikaner. Bisher haben sich erst vier kooperationswillig gezeigt. Entscheidend: Der Senat würde sich erst nach dem 20. Jänner mit dem Fall beschäftigen. Dann ist Trump nicht mehr im Amt.
Warum ist Joe Biden zurückhaltend? Der neue Präsident fürchtet, dass ein Impeachment wichtige Entscheidungen (Minister-Ernennung, Coronavirus-Hilfen) verzögert. Außerdem sieht er die Gefahr, dass sein Versprechen, dass zerrissene Land zu „heilen“, konterkariert wird, wenn seine Partei auf Straffeldzug gegen Trump geht. Um Bidens Start nicht zu verhageln, erwägen Demokraten im „House“, die Anklage erst nach 100 Tagen an den Senat zu überstellen.
Und wenn der 25. Zusatzartikel der Verfassung aktiviert würde? Der Vizepräsident kann den Chef für unfähig erklären, „die Rechte und Pflichten des Amtes auszuüben“, wenn er eine einfache Mehrheit im Kabinett hinter sich hat. Trump könnte der Absetzung sofort schriftlich in einem Brief an den Kongress widersprechen. Pence und das Kabinett hätten dann vier Tage Zeit, um ihren Rauswurf-Beschluss zu bekräftigen. Dann wäre der Kongress gefragt. Binnen zwei Tagen müssten die Abgeordneten mit Beratungen beginnen. Danach hätten sie drei Wochen Zeit, für eine Entscheidung. Nur wenn beide Kammern mit Zweidrittelmehrheit die Amtsunfähigkeit feststellen, wäre Trump abgesetzt – deutlich nach dem 20 Jänner.
Was will Mike Pence? Der Vizepräsident will den 25. Verfassungszusatz eigentlich nicht ziehen. Weil die Trump-Anhängerschaft noch unberechenbarer werden könnte. Und weil er seine Hoffnungen auf eine eigene Präsidentschaftskandidatur 2024 damit wohl begraben könnte. Aber: US-Medien melden, dass Pence sich die Möglichkeit offenhalten will. Das Verhältnis, lange von grenzenloser Loyalität von Pence zu Trump geprägt, gilt als zerrüttet.
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