Milliardenstrafen sind anhängig – doch bis Google, Apple und Co. ihre Verfahren in Europa endgültig ausgefochten haben, vergehen Jahre. In der schnellen Onlinewelt sind das Ewigkeiten – in der die Internet-Giganten ihre Macht weiter ausbauen könnten. Das soll sich zumindest in Europa ändern.
„Es geht nicht darum, die Macht der IT-Giganten zu brechen“, schildert die mit dem Thema befasste Schattenberichterstatterin und EU-Abgeordnete Eva Maydell, „sondern sicherzustellen, dass es künftig Regeln für sie gibt“.
Wichtige Voraussetzungen dafür wurden diese Woche geschaffen: Da verabschiedete der Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments in Straßburg seine Verhandlungsposition zum Gesetz über Digitale Märkte; auch die EU-Regierungen legten am Donnerstag ihre Standpunkte fest. Einigen sich beide Seiten, könnte das Gesetz schon Ende nächsten Jahres wirksam werden.
Die „Gatekeeper“
Vorgesehen ist demnach, dass mächtige Internetplattformen mit einem Börsenwert von mindestens 80 Milliarden Euro als sogenannte „Gatekeeper“ definiert werden. Diese agieren für die Konsumenten als eine Art „Türsteher“ und Wegweiser fürs Web. Diese Position nutzen sie aus, um kleinere Rivalen zu benachteiligen.
Und genau das muss sich nach Forderungen der Europäer ändern: So soll etwa Amazon seine eigenen Produkte künftig nicht mehr durch den Algorithmus bevorzugen dürfen.
„Gatekeepern“ wie Google, Facebook und Co. werden Pflichten und Verbote vorgelegt: So etwa könnte Apple gezwungen werden, auch andere als die eigenen Apps auf den Geräten zuzulassen. Oder: Booking.com soll Hotels nicht daran hindern, deren Zimmer unter dem auf Booking angegebenen Preis anbieten zu dürfen.
Das geplante Gesetz könnte den IT-Giganten Milliarden an Einbußen bescheren – entsprechend heftig gehen die Konzerne auf Gegenwehr. Die Lobby-Schlacht in Brüssel ist bereits voll entbrannt. Denn wenn die Plattformen ihre eigenen Produkte nicht mehr bevorzugen können, steht sogar die Zukunft ihrer Geschäftsmodelle auf dem Spiel.
„Killer- Käufe“
Der Größe der Konzerne geschuldet würde das europäische Gesetz überwiegend amerikanische Unternehmen treffen. Doch EU-Abgeordnete Maydell stellt klar: „Wir arbeiten hier keine anti-amerikanische Gesetzgebung aus. Es geht darum, dass die wenigen, alles dominierenden Akteure hier keine „winner-takes-it-all-Gebaren an den Tag legen“.
So soll etwa auch verhindert werden, dass die „Großen“ hoffnungsvolle Tech-Start-ups schlucken, damit sie ihnen später nicht einmal gefährliche Konkurrenten werden. „Killer-Acquisitions“ – also „Killer-Einkäufe“ nennt sich dieses Vorgehen, das schon so manch aufstrebende Jung-Unternehmen per Übernahme das Licht abdrehte.
Potenzial zu Großem
„Die Art und Weise, wie die Internetriesen agieren, wird sich mit diesem Gesetz ändern“, ist sich Maydell im Gespräch mit dem KURIER sicher.
Für die Konsumenten werde es letztlich bedeuten: „Mehr Auswahl zu einem besseren Preis. Es wird leichter werden, Daten von einer Plattform auf die andere zu bringen. Und es wird nicht mehr möglich sein, dass Facebook automatisch die Daten eines Nutzers auch von Instagram oder Whatsapp übernimmt. Das darf es nur noch mit Zustimmung des Nutzers geben.“
Ein Schlussstrich unter das wettbewerbsfeindliche Vorgehen der Internet-Riesen werde nicht dazu führen, dass ein europäisches Facebook entsteht, meint Eva Maydell. „Aber wir brauchen auch gar kein europäisches Facebook. Wichtig ist, dass wir künftigen Unternehmen den Boden bereiten, damit sie sich überhaupt entwickeln können.“
Und das, so die Abgeordnete, könne ja, was Europa betrifft, auch auf ganz anderen Sektoren sein. „Warum kann das nächste große europäische Start-up mit Potenzial zum ganz Großen nicht aus dem Bereich der Medizin kommen?“
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