Wie die EU sich dem Riesen China gegenüberstellen will
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat am Mittwoch mit Blick auf den Streit über den Netzwerkausrüster Huawei gewarnt, sich vor China abzuschotten, und die europäischen Staaten gleichzeitig erneut dazu aufgerufen, gegenüber Peking mit einer gemeinsamen Stimme zu sprechen. "Eine der größten Gefahren" für Europa sei, dass jeder EU-Staat seine eigene China-Politik mache. "Wenn in einem digitalen Binnenmarkt jeder seins macht, werden wir nicht weit kommen", so Merkel.
In Europa scheint langsam klar zu werden, dass einzelne Nationalstaaten gegenüber Riesen wie China nichts ausrichten können, den die EU in ihrem letzten Strategiepapier als "Systemrivalen" bezeichnet. Immer mehr Stimmen rufen dazu auf, dass sich die EU als Großmacht auch geostrategisch wieder klar positionieren müsse.
"Neue Seidenstraße"
In Europa wird befürchtet, dass der chinesische Konzern Huawei durch den Ausbau der neuen 5G-Mobilfunknetze sicherheitsrelevante Informationen an die chinesischen Geheimdienste weitergeben könnte. Seit Jahren kauft sich China aktiv in Europa ein – insbesondere an den südöstlichen Rändern, wo Brüssel die Infrastruktur lange vernachlässigte. Der griechische Hafen von Piräus ist ein plakatives Beispiel dafür, er ist fest in chinesischer Hand.
Zudem ist man in der EU besorgt über die Berichte zu Internierungslagern zur systematische Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren in China.
Die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will bereits an ihrem ersten Arbeitstag, kommenden Sonntag den 1. Dezember, mit der politischen Führung in Peking telefonieren, berichtete die Zeitung "Welt" in einem Vorabbericht am Mittwoch unter Berufung auf informierte EU-Kreise. Dabei soll auch das Thema Menschenrechte angesprochen werden.
Das Europäische Parlament will die Situation der Uiguren in der nächsten Plenarsitzung Mitte Dezember diskutieren.
Wie die "Welt" weiter berichtete, sei ein Besuch des chinesischen Außenministers Wang Yi noch in diesem Jahr in Brüssel geplant. Die Botschafter der 28 EU-Länder wurden außerdem in die Region Xinjiang eingeladen.
"Im Namen Europas"
Anfang des Jahres war Xi Jinping Gast von Emmanuel Macron in Paris. Der französische Präsident empfing den Chinesen an der Seite der deutschen Kanzlerin. Er hatte Merkel nach Paris eingeladen, um Europas Zusammenhalt gegenüber China zu zeigen. Anfang November reiste Macron nach China, wo er – als Signal für eine gemeinsame EU-Politik – wiederum von der deutschen Wissenschaftsministerin Anja Karliczek begleitet wurde. Macron betonte in Peking mehrmals "im Namen Europas" zu sprechen.
Angela Merkel plant für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte 2020 einen EU-China-Gipfel mit allen EU-Regierungen und der chinesischen Führung in Leipzig.
"Wir finden uns das erste Mal mit einem amerikanischen Präsidenten wieder, der unsere Idee des europäischen Projekts nicht teilt", hat Macron nach seinem China-Besuch festgestellt und für eine deutlicher gemeinsam auftretende EU plädiert – insbesondere gegenüber Peking. Seine Aussagen zu der "hirntoten" NATO schlagen in dieselbe Kerbe.
Beim EU-China-Gipfel im vergangenen Frühjahr zeigte sich deutlich, wie die europäischen Staaten mit einer gemeinsamen Stimme auch gegenüber dem Handelsriesen China viel erreichen können. Die EU-Mitgliedstaaten machten gemeinsam klar, dass es eine Abschlusserklärung nur geben werde, wenn sich Peking in essenziellen Punkten auf Brüssel zu bewege. Und das passierte dann auch – Industriesubventionen wurden verringert, der Zwang zum Technologietransfer aufgehoben und der Marktzugang für europäische Firmen erleichtert.
„China Cables“
Am Sonntag waren als geheim klassifizierte Dokumente der chinesischen Regierung bekanntgeworden, in denen die weitgehend unmenschlichen Zustände in Lagern in Xinjiang beschrieben werden. Veröffentlicht wurden die sogenannten "China Cables" vom Internationalen Konsortium Investigativer Journalisten.
Nach Erkenntnissen der UN sind mindestens eine Millionen Uiguren und Angehörige anderer muslimischer Minderheiten in den Lagern in Xinjiang interniert worden. Die chinesische Führung hat stets zurückgewiesen, Uiguren systematisch zu unterdrücken.
Kommentare