Wie der Saudi-Kronprinz Bezos' Mega-Scheidung ins Rollen brachte

Jeff Bezos und seine Freundin Lauren Sánchez in Mumbai
Die Saudis saugten vom Handy des reichsten Mannes der Welt, Jeff Bezos, offenbar Nachrichten seiner damaligen Freundin ab.

Wie die US-Korrespondentin des britischen Guardian, Stephanie Kirchgaessner, heute in einem Aufsehen erregenden Report berichtet, ist Amazon-Gründer Jeff Bezos, gleichzeitig Eigentümer der Washington Post, 2018 Opfer eines Angriffs auf sein Smartphone geworden, der direkt vom saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman ausgegangen sein soll. 

Der Guardian beruft sich unter anderem auf anonyme saudische Quellen. Danach seien die beiden Männer, die sich zuvor bei der ersten großen US-Reise bin Salmans kennengelernt hatten, im Mai 2018 über den Kommunikationsdienst WhatsApp im Kontakt gewesen. 

Kurz danach habe Bezos eine Video-Mitteilung vom persönlichen Account bin Salmans erhalten, die mit einem Malware-Programm infiziert gewesen sein soll. Binnen weniger Stunden seien große Daten-Mengen aus dem Smartphone von Bezos abgesaugt worden, erklärten Experten dem Guardian. Was genau, darüber will das Blatt keine Kenntnisse besitzen. Weder von Bezos noch von saudi-arabischer Seite gibt es bisher Stellungnahmen, die den Fall aufklären könnten.

Am Mittwoch sagte Saudi-Arabiens Außenminister wörtlich, die Hacker-Vorwürfe gegen den Kronprinzen seien "absurd".

Zweifel an dieser Darstellung weckte eine mit Spannung erwartete Mitteilung von zwei hochkarätigen Vertretern der Vereinten Nationen. Agnès Callamard, UN-Sonderberichterstatterin für außergerichtliche Tötungen, und David Kaye, UN-Sonderberichterstatter für freie Meinungsäußerung, erklärten am Mittwoch, dass sie Informationen über eine „mögliche Verwicklung“ von Kronprinz Mohammed bin Salman in den Angriff auf Bezos’ Mobiltelefon haben.

Damit sollte offenbar die Berichterstattung der Washington Post über Saudi-Arabien „beeinflusst, wenn nicht abgewürgt werden“, heißt es in der offiziellen Stellungnahme. Die Anschuldigungen erforderten eine „umgehende Untersuchung durch amerikanische und andere relevante Institutionen“. Nicht nur im Fall Bezos. Laut Callamard und Kaye gebe es Hinweise, dass Kronprinz bin Salman „kontinuierlich, über Jahre, direkt und persönlich“ an Versuchen beteiligt gewesen sei, „Gegner ins Visier zu nehmen“.

Schlüpfrige Textnachrichten

Dafür werden Erinnerungen an eine spektakuläre Boulevard-Geschichte mit saudi-arabischer Note wach, die den Amazon-Gründer vor gut einem Jahr unfreiwillig in die Schlagzeilen brachte. Das New Yorker Revolver-Blatt National Enquirer veröffentlichte im Jänner 2019 die explosive Story, dass Bezos Ehe nach 25 Jahren wegen einer Affäre vor dem Aus steht. Das Blatt verfügte über schlüpfrige Textnachrichten von Bezos und seiner damaligen Geliebten und heutigen Partnerin Lauren Sánchez. Kurz vor der Enthüllung - Bezos hatte einen Wink bekommen - kündigte der Multimilliardär die Trennung von seiner langjährigen Gattin MacKenzie an.

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Teure Scheidung: Jeff und MacKenzie Bezos gingen getrennte Wege.

Enquirer-Verbindungen zu Trump

Der frühere Besitzer des Enquirer, David Pecker, pflegte nicht nur beste Verbindungen zu US-Präsident Donald Trump. Im Wahlkampf 2016 zahlte die damalige Dach-Gesellschaft der Zeitung, “American Media Inc” (AMI), dem früheren Playmate Karen McDougal 150.000 Dollar Schweigegeld. Sie hatte behauptet, eine Affäre mit Trump gehabt zu haben, als der schon mit Melania Trump verheiratet war. Der Enquirer veröffentlichte die Geschichte nicht, sondern schwieg sie tot. 

Pecker war auch mit Kronprinz bin Salman persönlich bekannt. Vor dessen US-Reise im Frühjahr 2018 veröffentlichte der Enquirer eine Jubel-Ausgabe, die den jungen Thronfolger als modernen Reformer feierte.Während AMI angab, ein zerstrittener Bruder von Bezos' Freundin habe die Affäre des Amazon-Chefs mit Lauren Sánchez durchgesteckt, kam Bezos' Sicherheitschef Gavon de Becker nach der Einschaltung von Experten zu einem anderen Ergebnis: Saudi-Arabien, schrieb Becker im US-Magazin Daily Beast, habe sich offenbar Zugang zu Bezos Mobiltelefon verschafft und “private Informationen gewonnen”.

Bezos: Erpressungsversuch

Die Geschichte ging aber noch viel weiter. Wenige Wochen nach der Enthüllung über ihn ging Bezos in einem Blog an die Öffentlichkeit und erklärte, er sei Adressat eines Erpressungsversuchs geworden. Von wem? David Pecker.

Bezos machte Briefe Peckers an ihn öffentlich. Darin zu lesen: die exakte Beschreibung von zehn anzüglichen Fotos, in deren Besitz der Verlag zu sein vorgab. Darunter auch ein “Selfie” von Bezos - "unterhalb der Gürtellinie".

Trump verärgert über Washington Post

Um eine peinliche Veröffentlichung abzuwenden, so Pecker, sollte Bezos öffentlich erklären, dass die Ehe-Aus-Story des Enquirer nicht “politisch motiviert” gewesen sei. Sprich: Dass sich Pecker nicht vor den Karren Saudi-Arabiens oder Trumps hat spannen lassen, der Bezos bei jeder sich bietenden Gelegenheit angreift. A) Weil ihm Amazon als zu übermächtig erscheint und zu wenig Steuern zahlt. B) Weil Bezos 2013 die Washington Post für rund 250 Millionen Dollar gekauft hat, die Trumps Präsidentschaft regelmäßig einer kritischen Prüfung unterzieht. Die Fakten-Checker der Zeitung haben dem Präsidenten seit Amtsantritt 2017 rund 16 000 Falschaussagen und Lügen nachgewiesen. Bezos ließ sich nicht aber nicht erpressen. Er trat die Flucht nach vorn an. Er äußerte den Verdacht, dass die Enquirer-Kampagne sehr wohl politische Wurzeln hatte.

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Trump und bin Salman beim G20-Gipfel in Japan.

Khashoggi-Mord und Bezos-Affäre

Auslöser sei mutmaßlich die konstant hartnäckige Berichterstattung seiner Zeitung über den ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi gewesen. Im Oktober 2018, fünf Monate nach der Attacke auf Bezos' Handy, wurde der bekannte Kolumnist der Washington Post, der das Königshaus in Riad oft scharf kritisiert hatte, in einem saudi-arabischen Konsulat in der Türkei auf grausame Weise getötet. Drei Monate später erschien die Affären-Geschichte über Bezos im Enquirer.

Laut US-Geheimdienst CIA geschah der Mord Kashoggis im Auftrag von Kronprinz Mohammed bin Salman. Die saudische Regierung bestreitet das hartnäckig. Präsident Trump hält bis heute eisern zu bin Salman, der für ihn im Mittleren Osten ein unverzichtbares Gegengewicht zum Iran darstellt und Rüstungsgüter im Milliarden-Volumen von den USA kauft.

Todesurteile in Saudi-Arabien

Ende Dezember vergangenen Jahres wurden in Riad unter hoher Geheimhaltung fünf Männer, die an Khashoggis Tod beteiligt gewesen sein sollen, zum Tode verurteilt. Drei weitere erhielten längere Haftstrafen. Die Sonder-Ermittlerin der Vereinten Nationen, Agnès Callamard, nannte das gesamte Verfahren eine “Farce”, weil die Hintermänner des “Auftragsmordes” unbehelligt geblieben seien.

Laut Guardian ist Callamard auch über die Handy-Hacker-Spur informiert, die von Bezos zu Kronprinz bin Salman führen soll.  Ob sie Untersuchungen einleitet, steht noch nicht fest. Der Enquirer und der Verlag AMI wurde 2019 für 100 Millionen Dollar an die Hudson-Group verkauft.

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