Die Welt in zehn Jahren: Werden wir weniger arbeiten?

Der Krieg in der Ukraine, Rekord-Inflation und die Klimakrise - die Österreicher blicken so pessimistisch in die Zukunft wie seit 50 Jahren nicht mehr. Zurecht? Zum Jahreswechsel befragen wir Experten aus sechs verschiedenen Disziplinen dazu, wie sich unsere Welt in den nächsten zehn Jahren verändern wird. Den Beginn machte der Politologe Herfried Münkler. In Teil zwei widmen wir uns der Frage, ob wir künftig nur mehr vier Tage oder gar noch weniger arbeiten werden. Der nächste wird sich einer Welt ohne Wirtschaftswachstum widmen. Sie finden alle Artikel gesammelt hier.
Wenn die Luft über unseren Köpfen summt, wird irgendwer den Drohnen-Verkehr regeln müssen. Außerdem brauchen wir Digitale-Währungsberater, Metaversumplaner und Entwickler von künstlichen Organen. Viele Jobs, die Studenten von heute im Jahr 2033 einmal haben könnten, sind noch nicht erfunden. In die Kristallkugel schaut auch Lena Marie Glaser nicht. Doch die Arbeitsforscherin, Buchautorin und Unternehmensgründerin spürt Trends nach, in welche Richtung sich die Arbeitswelt von morgen entwickelt.
KURIER: Lässt sich sagen, wie die Arbeitsplätze in zehn Jahren aussehen werden?
Lena Marie Glaser: Ein Trend geht in eine klare Richtung: Wahlmöglichkeiten und Arbeitszeitverkürzung. Immer mehr Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wünschen sich kürzere Arbeitszeiten. Speziell jüngere Menschen sehen das so. Deswegen suchen viele von ihnen gezielt Arbeitsplätze, wo es auch möglich ist, weniger zu arbeiten. Arbeit auf Augenhöhe heißt hier, die Wahlmöglichkeit zu haben und im Einklang mit den eigenen Bedürfnissen zu arbeiten.
Das trägt den Jüngeren gleich den Vorwurf des Faulseins ein. Es heißt, sie wollten nur noch "Work-Life-Balance"...
Junge Menschen wollen oft nicht mehr das, was ihnen ihre Eltern vorgelebt haben. Die Jüngeren sind anspruchsvoller geworden, treten selbstbewusster auf dem Arbeitsmarkt auf. Das kann bei älteren, berufserfahreren Menschen zu Unverständnis führen. Aber man sollte hinhören: Worum geht es? Es dreht sich um die Frage der Prioritäten im Leben, um einen Wertewandel, um Familie, um Gesundheit.

Flexibler, digitaler, hybrider und vor allem kürzer will die Jugend von heute morgen arbeiten.
Und die älteren Arbeitnehmer wollen das nicht?
Auch hier ist der Wunsch nach weniger Arbeitszeit größer geworden. Aber die Älteren sind mit diesen Mustern aufgewachsen: Man muss viel leisten, besonders viel arbeiten, damit man viel wert ist. Aber das muss man nicht nur wollen, das muss man auch können. Vielen älteren Arbeitnehmern gehen die Ressourcen aus. Das zeigen die steigenden Burn-out-Raten.
Wird es also in Zukunft mehr Teilzeitjobs geben?
Immer mehr Unternehmen bieten schon jetzt Modelle an, wo nur noch an vier Tagen die Woche gearbeitet wird. Denn Unternehmen sehen auch: Nur viel Zeit in der Arbeit zu verbringen, heißt nicht unbedingt, immer produktiv zu sein.
Vier Tage mit gleicher Wochenarbeitszeit, also längeren Arbeitstagen oder vier Tage mit 32 Stunden und gleichbleibendem Lohn?
Das wird in einer Reihe österreichischer Unternehmen derzeit sehr intensiv diskutiert. Es gibt zunehmend ein Umdenken, einen Paradigmenwechsel. Es wird immer schwieriger, Arbeitnehmer zu finden. Deswegen steigt der Druck, mit neuen Arbeitszeitmodellen attraktiv zu bleiben.
Voller Lohn bei weniger Arbeitszeit – was sagt da die Arbeitgeberseite dazu?Immer mehr Vorreiterunternehmen sind genauso profitorientiert – und die sehen das nicht im Widerspruch zu neuen Arbeitszeitmodellen. Man kann auch mit weniger Arbeit genauso viel leisten und genauso produktiv sein. Man muss sich wegbewegen von der Annahme, dass weniger leistet, wer weniger Stunden arbeitet. Es gibt einige österreichische Unternehmen, die Erfolge mit dem 4-Tage-Modell erzielen.

Acht Jahre lang hat die Juristin aus Wien mit einem sicheren Beamtenjob als Referentin im Finanzministerium gearbeitet – und dann einen radikalen Schlussstrich gezogen. Sie kündigte, gründete ein Unternehmen, berät seither Firmen und forscht über die Arbeitswelt. Arbeit der Zukunft muss mehr Möglichkeiten zur Mitbestimmung für Arbeitnehmer schaffen, meint die Forscherin und Buchautorin.
Sie setzt sich für eine Arbeitswelt auf Augenhöhe ein. Das bedeutet auch: flachere Hierarchien. Was sich Arbeitnehmer, vor allem die Jüngeren, laut der "New Work"-Spezialistin Glaser derzeit am meisten wünschen: einen Job, der sich mehr mit ihren Bedürfnissen vereinen lässt.
Kommt mit dem Ende der Pandemie auch wieder das Endes des Homeoffices?
Die flexiblen Modelle, also die Kombination von Büro und Homeoffice, werden bleiben. Die meisten Arbeitgeber haben verstanden, dass diese Angebote für Mitarbeiter attraktiv sind und man sie auch individuell behandeln kann.
Wie soll man sein, was mus man können, um in 10 Jahren einen guten Job zu haben?
Technische Fähigkeiten, eine gute Ausbildung sind sicher wichtig. Aber wir brauchen auch mehr soziale Kompetenzen: Wie kann ich mit dieser ständigen Transformation besser umgehen, mich selbst organisieren, wie mich auf neue Jobs einstellen? Es geht um analytisches Denken, Reflexion, Teamarbeit.
Wie sollen ältere Arbeitnehmer mit dem digitalen Wandel zurande kommen?
Die Transformation zu schaffen, ist keine Altersfrage, sondern eine Frage der Einstellung. Viele ältere Arbeitnehmer begeistern sich für die neuesten technologischen Entwicklungen. Andere haben Angst vor der Veränderung, der Beschleunigung. Da kann man nicht alles auf den Arbeitnehmern abwälzen. Es ist die Aufgabe der Arbeitgeber, die Erfahrung, das große Potenzial der älteren Arbeitnehmer zu nutzen, auf sie zuzugehen und deren Wissen der nachfolgenden Generation zur Verfügung zu stellen. Das voneinander Lernen ist extrem wichtig.
Ihr Blick nach vorne: Wie sieht Arbeit in zehn Jahren aus?
Ich möchte eine Utopie schaffen: Ich glaube, dass sich die Arbeitswelt zum Besseren wandelt. Die Arbeitgeber sind dringend auf der Suche nach Personal und so bereit wie noch nie, etwas zu verändern. Deswegen glaube ich, dass die Jobs der Zukunft attraktiver sein werden. Dass die Menschen mehr Zeit für Familie und Interessen haben, um so zu arbeiten, wie sie das wollen.

Lena Marie Glaser: "Arbeit auf Augenhöhe". Kremayr & Scheriau, 192 Seiten, 24 Euro.
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