Die Welt in zehn Jahren: Ist die Ära des Friedens endgültig vorbei?

Die Welt in zehn Jahren: Ist die Ära des Friedens endgültig vorbei?
Russlands Krieg hat eine Zeitenwende eingeläutet, sagt der Politologe Herfried Münkler. Seine düstere Prognose zum Auftakt der Serie "Europa 2033": So beschaulich, wie es in Europa war, wird es wohl nie wieder.

KURIER-Serie: Der Krieg in der Ukraine, Rekord-Inflation und die Klimakrise - die Österreicher blicken so pessimistisch in die Zukunft wie seit 50 Jahren nicht mehr. Zurecht? Zum Jahreswechsel befragen wir Experten aus sechs verschiedenen Disziplinen dazu, wie sich unsere Welt in den nächsten zehn Jahren verändern wird. Den Beginn macht der Politologe Herfried Münkler. In Teil zwei widmen wir uns der Frage, ob wir künftig nur mehr vier Tage oder gar noch weniger arbeiten werden. Sie finden alle Artikel gesammelt hier

KURIER: Seit dem 24. Februar herrscht in Europa wieder Krieg. Hat damit eine neue Ära begonnen? Auf was müssen wir uns in den nächsten Jahren einstellen?

Herfried Münkler: Die Ära, in der Frieden mit immer weniger Waffen und hauptsächlich durch wirtschaftliche Macht geschaffen wurde, ist vorbei. Vor dem Krieg dachte man, Putin sei nicht so dumm, seine besten Kunden zu verprellen. Das hat nicht funktioniert, das ist die bittere Lehre vom 24. Februar: Wirtschaftliche Macht – Sanktionen – hat gegenüber militärischer Macht eine zeitliche Lücke, die sich nicht schließen lässt. Militärische Macht wird daher in Zukunft eine größere Rolle spielen als zuletzt. Die Friedensdividende, die wir seit 1989/1990 nutzten, ist Geschichte. Sehr viel mehr Geld wird in den Aufbau von militärischen Fähigkeiten fließen.

Sie sagten mal, keiner habe damit gerechnet, dass bei Putin die Dummheit Methode habe. Unterschätzt man ihn da nicht?

Putin fühlte sich raffiniert, weil er annahm, der Westen würde nach einem Enthauptungsschlag der Ukraine ähnlich reagieren wie 2014 – mürrisch, aber ohne entschiedenen Widerstand. Doch was kurzfristig wie Schläue gewirkt hat, hat sich über längere Zeit als gravierender Nachteil erwiesen. Darum birgt das Wort Dummheit keine Überheblichkeit. Putin hat einfach nicht bedacht, dass es für den Westen gute Gründe gibt, seinen Sieg unter allen Umständen zu verhindern. Denn dann wäre eine Blaupause für andere Aggressoren entstanden – und wir wären in einem neuen Zeitalter der Kriege.

Kommentare