Weinskandal, Weihnachtskrise: Für Boris Johnson wird es eng
Beim letzten Mal war es eine weihnachtliche Tanzparty mit Bier und Cocktails im Keller, diesmal geht es um ein paar Gläser Rotwein und Pizza im Garten im Frühling 2020. Ständig tauchen neue Skandalbilder und -berichte in britischen Medien auf, die allesamt eines in peinlicher Deutlichkeit illustrieren: Während Großbritannien unter einen Lockdown gestellt wurde, verstanden es Boris Johnson und seine Regierungsmannschaft, es sich in Downing Street 10 lustig zu machen.
Solche Ausrutscher schienen dem Premier lange nichts anhaben zu können. Ob es nun ein weiteres, uneheliches Kind war oder ein klar falsches Versprechen beim Werbefeldzug für den Brexit: Die Briten verziehen es ihrem ebenso hemdsärmeligen wie schrulligen Boris.
Doch damit ist Schluss. Neue Fehler in der ohnehin chaotischen Pandemie-Politik, ein sichtlich alkoholisierter Auftritt vor der Presse oder eben die Skandälchen rund um Partys in der Downing Street: Jeder Vorfall lässt Johnsons Beliebtheitswerte noch tiefer sinken.
Mehrheit für Rücktritt
Jüngsten Umfragen zufolge ist inzwischen eine Mehrheit der Briten für Johnsons Rücktritt, gerade einmal ein Viertel hat noch eine positive Meinung von ihm. Das beschleunigt den Widerstand in der eigenen Partei und die Absetzbewegungen im engsten Umfeld.
Der bisher prominenteste Rücktritt: Brexit-Minister David Frost. Der 56-Jährige, der den Austritt aus der EU verhandelte, gilt einerseits als enger Vertrauter Johnsons, andererseits als prominenter Vertreter des rechten Flügels der Konservativen. Und der ist in zwei entscheidenden Fragen über Kreuz mit dem Premier. Erstens lehnt man jedes Zugeständnis an die EU im Streit um die Grenzen zwischen Irland und Nordirland ab. Johnson sucht da einen Kompromiss, um die verfahrene Situation beim Transport von Waren über diese Grenze zu lösen. Zweitens lehnt man neue Verschärfungen der Maßnahmen gegen die Pandemie ab.
Wie Omikron stoppen?
Die sind aber angesichts der täglich dramatischeren Infektionszahlen in Großbritannien unausweichlich. Dem Premier, sind die britischen Medien überzeugt, bleibt nichts anderes übrig, als noch vor Weihnachten Maßnahmen zu verhängen. Die Frage sei nur, ob es sich um eine relativ harmlose Empfehlung handeln werde, also etwa, Feiern auf engere Familienmitglieder zu beschränken, oder aber um einen ausgewachsenen Lockdown inklusive Strafandrohungen.
Hinter den Kulissen liefen hektische Beratungen, vor den Kulissen aber stellten sich immer mehr Regierungsmitglieder gegen Johnson. Finanzminister Rishi Sunak etwa meint, die bisherigen wissenschaftlichen Daten zu Omikron seien nicht schlüssig. Er empfehle zuzuwarten, bis die Lage klarer sei. Andere Regierungskollegen aber wollen und können nicht mehr warten. Bildungsminister Nadhim Zahawi hat bereits die pensionierten Lehrer einberufen, um Ausfälle durch Covid irgendwie wettzumachen.
Kommentare