Fast eine Million Soldaten
Kein Wunder, dass Finnland mit seinen 5,5 Millionen Einwohnern im Fall des Falles auf 280.000 Soldaten und 600.000 Reservisten zurückgreifen kann. Wie viel das ist, zeigt der Vergleich mit den französischen Streitkräften mit ihren 270.000 Soldaten.
In den vergangenen 20 Jahren setzten viele Nato-Staaten vor allem auf globale Einsätze und Terrorbekämpfung. Viel teures, schweres Gerät wurde in diesem Zusammenhang verschrottet oder verkauft. In Finnland hingegen ist die klassische Landesverteidigung weiterhin das oberste Ziel. Über 1.500 Artilleriegeschütze verfügt das Land. Anfang April vergangenen Jahres kündigte Helsinki zudem an, seine Militärausgaben in den kommenden vier Jahren um mehr als zwei Milliarden Euro zu erhöhen.
5,1 Milliarden gab es 2022, heuer sind es 5,8. Der Tiefstand des finnischen Militärbudgets wurde 2001 erreicht, als sich die Ausgaben auf 1,1 Prozent des BIP beliefen. Eine Zahl, die etwa in Österreich bis vor Kurzem illusorisch war. Auch in der Politik ist das Sicherheitsverständnis spürbar: Nahezu jeder Politiker und Unternehmer absolviert wehrpolitische Kurse auf der Universität. Die Politik scheut auch nicht davor zurück, viel Geld ins Militär zu stecken: Für eine Modernisierung der Flotte (1,2 Milliarden Euro) und Luftwaffe (7 bis 10 Milliarden Euro) gab es kürzlich Sonderbudgets.
Besonders ist in Finnland auch die Finanzierung der Armee. Pilotenausbildung, Verpflegung und Reparaturen nehmen andere Behörden – anders als in Europa üblich – dem Verteidigungsministerium ab. Auch im Zivilschutz gilt Finnland als Musterschüler. So gibt es in Bunkeranlagen der 650.000 Einwohner-Hauptstadt Helsinki Platz für 900.000 Menschen. Die Anlagen werden regelmäßig gewartet, sodass die Bevölkerung im Ernstfall nicht nur Schutz suchen kann, sondern auch Toilette und Bad funktionieren.
Schweden muss mit NATO-Beitritt warten
Anders sieht das bei Schweden aus, dessen Beitritt erst noch von der Türkei abgesegnet werden muss. Das Land ist erst seit wenigen Jahren wieder dabei, seine Streitkräfte zu verstärken und Reformen durchzusetzen. Nach dem Kalten Krieg kürzte die Regierung zunächst die Verteidigungsausgaben, Einsätze bei Friedensmissionen auf der ganzen Welt (etwa bei NATO-Missionen in Afghanistan und im Irak) wurden zur Hauptaufgabe. Flossen 1990 noch 2,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigung, waren es 2020 nur noch 1,2 Prozent.
Doch Stockholm machte bereits vor wenigen Jahren kehrt. 2017 führte das Land die Wehrpflicht, die 2010 ausgesetzt wurde, wieder ein, denn es mangelte – wie in fast allen Ländern ohne verpflichtenden Grundwehrdienst – an Rekruten. Allerdings wird nur ein gewisser Teil der etwa 100.000 wehrfähigen Männer und Frauen – seit der Wiedereinführung gilt die Wehrpflicht auch für sie – tatsächlich eingezogen, bisher sah man keine Notwendigkeit dafür. Das ändert sich stetig: Waren es anfangs 4.000 Personen pro Jahr, sollen es bis 2025 8.000 sein.
Die Blockade gegen den Beitritt Schwedens hält der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bis heute aufrecht. Er wirft dem Land vor allem mangelnden Einsatz gegen "Terrororganisationen" vor. Dabei geht es Ankara vor allem um die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK. Ähnliche Vorwürfe erhob Erdogan zunächst auch gegen Finnland.
Russland kündigte am Montag an, als Reaktion auf den finnischen NATO-Beitritt seine eigene Militärpräsenz in der Nähe des nordischen Landes auszubauen. "Wir werden unsere militärischen Kapazitäten im Westen und Nordwesten verstärken", sagte Vize-Außenminister Alexander Gruschko am Montag laut der russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti. "Im Falle der Stationierung von Streitkräften und Waffen anderer NATO-Mitglieder auf dem Territorium Finnlands werden wir zusätzliche Schritte unternehmen, um die militärische Sicherheit Russlands zuverlässig zu gewährleisten", fügte Gruschko hinzu. Moskau beteuert, Finnland und Schweden nicht zu bedrohen. Zugleich erkennt die größte Atommacht der Welt in der NATO-Erweiterung eine "existenzielle" Bedrohung seiner eigenen Sicherheit.
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