Was nach dem ukrainischen Teilrückzug aus Awdijiwka noch zu verteidigen ist

Russische FAB-Bomben, die verheerenden Schaden an Stellungen anrichten, massive Angriffe der „Storm-Z“-Truppen, die aus ehemaligen Häftlingen bestehen und von erfahrenen ehemaligen Wagner-Söldnern kommandiert werden – und massiver Munitionsmangel auf der ukrainischen Seite. Die Situation in der Frontstadt Awdijiwka hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten immer mehr zugespitzt, in den vergangenen Tagen gelang es den russischen Streitkräften, die Stadt de facto vom Nachschub abzuschneiden. Die einzig verbliebene Zufahrtsstraße von Norden befindet sich unter Kontrolle der Russen, somit sind die ukrainischen Truppen südlich dieser Straße de facto eingekesselt, könnten nur noch über immer schlammiger werdende Feldwege versorgt werden. Und diese liegen im direkten Feuerbereich der russischen Streitkräfte.
Hier können Sie die derzeitigen Frontverläufe einsehen.
In einigen Gebieten würden Truppen auf "vorteilhaftere Positionen" zurückverlegt, heißt es am Donnerstag vonseiten der Ukraine. Wie das am besten geschehen soll, ist jedoch unklar – die beiden Versorgungswege wären bereits jetzt ein leichtes Ziel für die russische Artillerie. "Es handelt sich um eine logistische Ersatzschlagader, die im Voraus vorbereitet wurde", sagte ein Armeesprecher.
Dritte Sturmbrigade vor Ort
Sollte es gelingen, aus dem de-facto-Kessel zu entkommen, bleibt nur noch eine Kokerei im Norden der Stadt in ukrainischer Hand. Inwiefern die 3. Sturmbrigade, die zu unter anderem aus Kämpfern des ehemaligen Asow-Regiments besteht, das Blatt wenden kann, ist unklar. Sie wurde in den vergangenen Tagen in Richtung Awdijiwka entsandt.
Fällt die Stadt, ist das ein weitaus größerer Verlust als jener Bachmuts – Awdijiwka gilt als Teil der „Ersten Verteidigungslinie“, wurde somit seit 2014 kontinuierlich zur Festung ausgebaut. Dahinter befinden sich zwei weitere Linien, an denen die Ukrainer in den vergangenen Monaten fieberhaft gearbeitet hatten – einen großflächigen Durchbruch dürfte es also nicht geben: „Es sei denn, es kommt infolge des Munitionsmangels zu einem Domino-Effekt. Ein solcher lässt sich allerdings schwierig vorhersagen“, analysierte Militäranalyst Oberst Markus Reisner bereits vor wenigen Wochen im KURIER-Gespräch. Mit der sogenannten Surowikin-Linie, die die russischen Streitkräfte vergangenes Jahr an der Front und Dutzende Kilometer tief gezogen hatten, sei die zweite ukrainische Verteidigungslinie jedoch nicht vergleichbar.
Die erneute russische Winteroffensive verläuft nahezu an der gesamten Front – es wird erwartet, dass auch der Druck auf die Stadt Kupjansk weiter nördlich zunimmt. Berichten zufolge haben die russischen Streitkräfte dort 500 zusätzliche Kampfpanzer massiert.
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