Diesen „Durchbruch“, wie Wolodimir Selenskij die Lieferung der Kampfjets nannte, braucht der ukrainische Präsident dringend: Die Zweifel, dass Kiew mit seiner Offensive noch große Gewinne erzielen kann, werden mehr. Ändern die bis zu 60 F-16, die Dänemark und die Niederlande liefern, etwas daran?
Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen.
Verschaffen die Jets Kiew massive Vorteile?
Ja. Bis dato hat Russland geschätzt 32 alte ukrainische Sowjet-Jets kaputtgeschossen, damit fehlt die Hälfte des Bestandes. Diese Lücke wird vom Westen nicht nur ausgeglichen, sondern es wird aufgestockt, Dänemark und die Niederlande liefern bis zu 60 Stück F-16. Die Jets werden seit den 1970ern produziert, sie sind den alten Sowjetbombern in puncto Radar deutlich überlegen, können zudem mit westlichen Luft-Luft- und Luft-Boden-Raketen sowie Marschflugkörpern bestückt werden – ein großer Vorteil.
➤ Zu viel zum Sterben
Die Lufthoheit zurückerobern wird Kiew mit ihnen aber nicht: Sie sind den modernen russischen Jets bei Radar- und Raketen-Reichweite nämlich ebenso unterlegen wie die alten ukrainischen MiG-31 und Su-35, schreibt US-Waffenexpertin Brynn Tannehill von der RAND Corporation. Die Russen könnten die F-16 also abschießen, bevor ukrainische Piloten sie sehen. Im Kampf der verbundenen Waffen (der synchrone Einsatz verschiedener Waffen und Truppen) sind die Jets aber unverzichtbar – dass dies derzeit nicht funktioniert, ist ein Grund für die schleppende Offensive.
➤ Warum Deutschland mit der Lieferung des "Taurus" für die Ukraine zögert
Wann sollen die F-16 geliefert werden?
Das ist der Knackpunkt: Dänemark liefert bis Jahresende maximal fünf Jets, weitere acht 2024, die restlichen fünf 2025. Die Niederlande wollten gar keine Zeit- oder Mengenzusage geben: 42 Stück hat Den Haag, 24 davon sind aber wohl nicht einsatzfähig. Liefern wolle man erst , wenn „die Bedingungen für einen solchen Transfer zutreffen“, sagte Premier Mark Rutte.
➤ Mehr lesen: Todeszone: Welche Stellungen zwischen Ukrainern und ihrem Ziel liegen
Welche Bedingungen sind das?
Rutte ließ die genauen Umstände offen. Allerdings haben die USA als Produktionsland Vorgaben gemacht: Ukrainische Piloten sollten zumindest sechs Monate Training absolvieren, bevor sie im Kampf fliegen dürfen. Einige Piloten dürften zwar so gut qualifiziert sein, dass sie das in vier Monaten schaffen, viele andere dürften aber deutlich länger brauchen, sagte General James Hecker, Kommandeur der US-Luftwaffe in Europa – er bildet die ukrainischen Piloten aus.
➤ Mehr lesen: Militärexperte Reisner: "Die Ukraine setzt jetzt alles auf eine Karte"
Zudem hat man Probleme, Piloten zu finden, die ausreichend Englisch sprechen, um das Training zu absolvieren. Einige wurden deshalb jetzt zum Spracherwerb nach Großbritannien geschickt. Unklar ist auch, wie die wartungsintensiven Flugzeuge repariert werden können. Die Ukraine hat dafür keine Techniker, und die NATO-Staaten haben es bisher vermieden, westliche Spezialisten ins Kriegsgebiet zu entsenden.
Was heißt das für die ukrainische Offensive?
Für den laufenden Angriff kommen die „Fighting Falcons“ deutlich zu spät. Experten in Kiew kritisieren das – denn wenn die F-16 fliegen, wird die Ukraine einen Teil der anderen westlichen Waffen schon wieder verloren haben. Von den etwa 120 gelieferten US-Bradley-Schützenpanzern wurde bisher schon die Hälfte zerstört, ähnlich ist es bei anderem Material.
Wie hat Russland auf die Lieferung reagiert?
Wie zumeist, wenn der Westen Hilfe ankündigt: Außenminister Lawrow nannte die Zusage eine „nukleare Bedrohung aus dem Westen“, da die Jets auch mit Atomwaffen bestückt werden können; man riskiere eine „direkte Konfrontation der Nuklearmächte“. Erwartet wird, dass Moskau die F-16-Basen bombardieren wird, Kiew muss die Jets darum möglichst weit verstreut positionieren. Zudem müssen viele der improvisierten Landebahnen adaptiert werden. Eine kurzfristig wirksame „Wunderwaffe“ seien die Jets mit diesen Einschränkungen nicht, so Brynn Tannehill von RAND. Sie würden der Ukraine zwar nicht dabei helfen, die Gegenoffensive erfolgreich fortzuführen, aber dafür langfristig ihre Souveränität zu sichern.
Kommentare