Die einen konnten ihre verbalen Freudensprünge nicht schnell genug in die Welt hinausposaunen, die anderen blieben bedeutsam still: Weder Wladimir Putin noch Xi Jinping oder Jair Bolsonaro haben dem neuen Präsidenten der USA Joe Biden zu seinem Wahlsieg gratuliert.
Warum diese Stille? Offiziell, wie etwa Peking es formuliert, will man abwarten, bis alle juristischen Details geklärt sind – also Donald Trumps Versuche, den Wahlsieg an sich zu reißen. Das sagt viel über Trumps Verhältnis zu den Autokraten aus – und noch mehr über das, was Putin, Xi und Co. nun erwartet.
Putin darf wieder Erzfeind sein
Denn dass sich die Außenpolitik unter Biden ändern wird, hat der schon im Wahlkampf klargestellt. Am stärksten wird das Russlands Präsident spüren, den Biden schon lange persönlich kennt: 2011 hat er dem Kremlchef bei einem Treffen nonchalant unterstellt, „keine Seele“ zu haben. Putin quittierte das lächelnd: „Wir verstehen einander.“
Wladimir Putin darf nach vier Jahren mit dem „Welpen“ Trump (O-Ton Biden) damit rechnen, wieder Erzfeind der USA zu werden. War Trumps Amtszeit geprägt von einer zweischneidigen Russland-Politik – einerseits profitierte Moskau von dessen Abkehr von der Weltpolitik und seinen NATO-Eskapaden, andererseits war der Sanktionsdruck so massiv wie nie –, fürchtet man im Kreml massive Verschlechterungen.
Zwar ist Biden als Transatlantiker mit 50 Jahren Erfahrung vorhersagbarer als der erratisch agierende Trump, doch er wird den Sanktionsdruck ziemlich sicher weiter erhöhen. Zudem wird er sich in innerrussische Angelegenheiten einmischen – Biden hat angekündigt, die Opposition zu unterstützen.
China, das Russland den Erzfeind-Titel unter Trump abgenommen hatte, wird davon nicht profitieren. In Peking sieht man Bidens Wahl mit großer Skepsis: Weil Trump sich aus vielen multilateralen Organisationen zurückgezogen hatte, konnte sich Peking dort oft gut positionieren – das wird unter Biden schwieriger. Auch dass der neue US-Präsident Europa und die asiatischen Partner wieder gegen China vereinen wollen, schmeckt Präsident Xi Jinping nicht; das wird vor allem in Handelsfragen schwierig.
Zudem ist nicht klar, ob Biden Trumps Zollpolitik ad acta legt – es könnte gar neue Handelshemmnisse geben. Bidens Team überlegt etwa Gebühren auf energieintensiv hergestellte Produkte aus China.
Ähnlich unglücklich über den neuen Mann in Washington ist man in Brasilia. Jair Bolsonaro – Spitznamen „Tropen-Trump“ – hoffte im Wahlkampf auf Trumps Sieg; jetzt ließ er sich statt zu Gratulationen zu einer Kampfansage hinreißen. Weil Biden gegen seine Zerstörungswut im Amazonas vorgehen will, sagte er, dafür werde es keine Diplomatie brauchen – sondern „Pulver“.
Ähnlich scharf wurde nur Janez Janša, Sloweniens Premier, der wie Trump als Twitter-verrückt gilt. Dort gratulierte der Rechtspopulist auch seinem Freund Donald zum Wahlsieg, nicht Joe Biden – danach prangerte er noch die „Faktenverweigerung der Mainstream-Medien“ an. In Ungarn und Polen war man da vorsichtiger: Premier Viktor Orbán und Präsident Andrzej Duda gratulierten Biden zu seinem „Wahlkampf“, aber nicht zu seinem Sieg.
Angst, im Gefolge von Trumps Abwahl abzustürzen, brauchen Orbán, Bolsonaro und Co. darum aber nicht haben. Zwar lag in Brasilien nach dem Sieg Bidens der Twitter-Hashtag #BolsonaroIsNext – also Bolsonaro ist der nächste – im Trend, an den Umfragewerten des Präsidenten ändert das aber nichts. Er ist höchst beliebt. Mit Trump hat der internationale Rechtspopulismus also lediglich eine Symbolfigur verloren – der Populismus selbst wird darum aber nicht verschwinden.
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