Warum Peru und Chile mehr Corona-Fälle haben als Spanien

Massengräber in Santiago de Chile
Die beiden Staaten gehören zu den am schlimmsten betroffenen Regionen der Welt. Nur in den Anden kam es bisher kaum zu Infektionen.

Im globalen Ranking der Top-10 mit den meisten bestätigten Corona-Infizierten führen weiterhin die USA vor Brasilien und Russland. Dahinter die üblichen Verdächtigen: Indien und Großbritannien. Dass Peru (Platz 6) und Chile (Platz 7) vor den europäischen Hotspots Spanien und Italien rangieren, überrascht dann aber doch. Die südamerikanischen Staaten haben bedeutend weniger Einwohner, sie passen grundsätzlich nicht ins Gesamtbild. Kurz gefragt: Wie lässt sich das erklären?

Lateinamerika gilt grundsätzlich als neues Zentrum der Pandemie. Es sei an die Horrorgeschichten aus Ecuador erinnert, wo Bestattungsunternehmen dermaßen überfordert waren, dass Leichen tagelang in Wohnungen "zwischengelagert" werden mussten, oft an Straßenrändern abgelegt wurden, bis ein Bestatter endlich Zeit fand. Von Massengräbern in Brasilien ganz zu schweigen.

Händewaschen in Peru? Schwierig

Peru (rund 32 Millionen Einwohner) hat prinzipiell früh Maßnahmen ergriffen. Die Isolation und Abschottung bis mindestens Ende Juni und die rigorosen Hygienevorschriften kommen wohl deshalb nicht zum Tragen, weil die Infrastruktur zu schwach ist.

Laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) mangelt es in vielen Landesteilen an fließend Wasser. Regelmäßiges Händewaschen ist so nicht möglich. Den Krankenhäusern sollen zu Spitzenzeiten täglich 180 Tonnen Sauerstoff gefehlt haben. Betroffene erwarben deshalb laut FAZ gar Sauerstoffflaschen am Schwarzmarkt – Qualität eher schwankend.

Weiteres Problem: 70 Prozent der berufstätigen Peruaner arbeiten informell. Sie können sich eine Isolation schlicht und einfach nicht leisten. Die Zahl der Infizierten liegt laut "Johns Hopkins University" knapp unter 270.000, jene der Corona-Toten bei über 8.700.

Das Anden-Wunder

Eine peruanische Region jedoch scheint dem Virus weit besser zu trotzen: Die Menschen in den Anden erkranken deutlich seltener an Covid-19. In Gegenden über 3.000 Metern Höhe traten nur zehn Prozent der Fälle auf.

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Kaum Corona am Machu Picchu

Die Anden sind der längste Gebirgszug der Welt und erstrecken sich über 7.000 Kilometer von Venezuela bis Feuerland. Im Schnitt ist die Gebirgskette 4.000 Meter hoch. "Wir haben zwar Fälle in Städten wie Cusco, Huaraz, Cajamarca und Cerro de Pasco", sagt der peruanische Infektiologe Augusto Tarazona. "Die Zahl ist jedoch minimal und die Sterblichkeit fast null. Das finden wir beachtenswert."

Noch ist unklar, warum die Andenbewohner dem Virus offenbar besser trotzen. Es könnte an ihrem Atemsystem liegen, das an das Leben in großer Höhe mit wenig Sauerstoff angepasst ist, lautet eine Hypothese. "Studien dazu fangen gerade erst an", sagt Tarazona.

Chile: Anfangs Lob, jetzt Unruhen

Ähnliche Gesamt-Infektionszahlen wie in Peru sorgen in Chile (rund 19 Millionen Einwohner) für Schrecken. Also gerade in jenem Staat Lateinamerikas, der anfangs für sein ausgeklügeltes Test- und Isolationskonzept gelobt wurde. Zu früh: Es mangelt an Schutzmasken, Atemgeräten und wie so oft an medizinischer Ausrüstung.

Vor allem in den ärmlichen Vororten sind die Menschen hart vom Virus getroffen – und verärgert. Rund um Santiago de Chile gibt es Massengräber. Und: Das chilenische Gesundheitsministerium dürfte der WHO höhere Infektionszahlen gemeldet haben, als der Staat veröffentlichte. Gesundheitsminister Jaime Mañalich musste wegen der Kontroverse seinen Hut nehmen. Nach zwischenzeitlichen Lockerungen wurde der Katastrophenzustand nun um weitere 90 Tage verlängert.

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Santiago de Chile: Massengräber

Warnung vor "Hungerpandemie"

Um die Fallzahlen etwas zu relativieren: Niemand testet in Lateinamerika häufiger als Peru und Chile. In beiden Staaten werden vierzig Tests pro tausend Einwohner durchgeführt. In Brasilien sind es etwa nur acht.

Die UNO warnt gar vor einer "Hungerpandemie" in Lateinamerika. 40 Millionen Menschen in der Region laufen Gefahr, sich nicht mehr zureichend ernährend zu können. Mangelnde Infrastruktur, instabile politische Systeme, wütende Bevölkerung und Proteste: In Lateinamerika hat das Coronavirus einen Nährboden gefunden, auf dem es perfekt gedeihen kann.

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