Warum Orbán in Kriegszeiten Hunderte hochrangige Offiziere entlässt

Warum Orbán in Kriegszeiten Hunderte hochrangige Offiziere entlässt
Offiziell will man das Militär "verjüngen" und "modernisieren". Doch Budapests Kündigungswelle sorgt für Argwohn bei Kritikern und NATO-Verbündeten.

"Sie schlagen, prügeln, treten und beißen uns alle zur gleichen Zeit", klagte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán vergangenen Freitag in seinem wöchentlichen Radio-Interview. Sie würden alles Mögliche tun, um uns in den Krieg zu zwingen. "Sie alle", das sind Orbán zufolge Brüssel und die EU, die linke Opposition – und die NATO-Verbündeten.

Orbán hat nicht unrecht: Die NATO-Verbündeten blicken seit Beginn des Krieges in der Ukraine besonders kritisch auf Ungarn, das sich bisher nicht an Waffenlieferungen beteiligt hat, den Transport durch Ungarn ablehnt und die Sanktionen gegen Russland kritisiert.

Eine Kündigungswelle im ungarischen Militär verstärkt aktuell die Bedenken der NATO-Verbündeten gegenüber Ungarn: Medienberichten zufolge hat Budapest Hunderte von hohen Offizieren entlassen – zu einer Zeit, in der in Europa Krieg herrscht.

Gesetz, um Militär zu "verjüngen"

Hinter der Entlassung steckt ein neues Gesetz, das die ungarische Regierung verabschiedet hat: So darf der Verteidigungsminister ab sofort jeden entlassen, der über 45 Jahre als ist und bereits 25 Dienstjahre hinter sich hat. Man wolle die Führung der Streitkräfte verschlanken und modernisieren, heißt es.

Warum Orbán in Kriegszeiten Hunderte hochrangige Offiziere entlässt

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán bei der Vereidigung von 250 freiwilligen Soldaten am 15. Oktober 2022.

Kritiker und Oppositionelle orten eine versteckte politisch motivierte Agenda; sie behaupten, Orbán versuche, die oberen Ränge im Militär mit Loyalisten zu besetzen, die seine pro-russischen Ansichten teilen. Petr Pavel, der ehemalige Nato-General, der am Wochenende zum neuen tschechischen Präsidenten gewählt wurde, bezeichnete die militärische Säuberung als "Fortsetzung" von Orbáns "Einschränkungen für alle Andersdenkenden".

Wie viel politisches Kalkül wirklich dahinter steckt, ist Spekulation. Fakt ist, dass das ungarische Militär über zu viele hohe Offiziere im Verhältnis zum Rest der Truppe verfügt, schreibt die Financial Times. Grund dafür seien, so Experten, attraktive Arbeitsbedingungen und eine starke Lobby, die vor Jahren eine Reform verhinderte, die ebenfalls auf eine Verkleinerung abzielte – damals unter einer sozialistischen Regierung.

Ungarn trat 1999 der NATO bei. Heuer werde Ungarn das Verteidigungsausgabenziel des Bündnisses von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen, sagte Justizministerin Judit Varga vor Kurzem dem KURIER. 2016 wurde ein großangelegtes Modernisierungsprogramm der Streitkräfte beschlossen.

Die deutsche Waffenschmiede Rheinmetall betreibt drei Fabriken in Ungarn, produziert dort Munition sowie den Schützenpanzer Lynx, von dem Ungarn Dutzende Stück in den kommenden Jahren kaufen will. Medienberichten zufolge besitzt Ungarn zwölf Kampfpanzer vom Typ Leopard 2A4, die Ausbildungszwecken dienen sollen. Heuer sollen 44 neue Leopard 2A7 dazu kommen. Die will Ungarn allerdings behalten und nicht, wie andere europäische NATO-Staaten an die Ukraine liefern.

Ungarisch-türkischer Schulterschluss

Nicht nur damit sorgt Orbán für Kritik von den NATO-Verbündeten: Neben der Türkei ist Ungarn der einzige NATO-Staat, der das Beitrittsansuchen von Schweden und Finnland im Parlament noch nicht ratifiziert hat. Am Dienstag war der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu zu Besuch in Budapest – dabei wurde die ungarisch-türkische Freundschaft betont. Ungarns Außenminister Péter Szijjártó betonte, Schwedens Regierung müsse "anders handeln", wenn sie die türkische Unterstützung für ihren Antrag auf NATO-Beitritt gewinnen wolle, und spielte damit auf die Proteste inklusive Koranverbrennungen vor der türkischen Botschaft in Stockholm an.

Justizministerin Varga erklärte gegenüber dem KURIER, dass die Ratifizierung am Programm der nächsten Parlamentssitzung stehen würde. Diese findet am 27. Februar statt.

Warum Orbán in Kriegszeiten Hunderte hochrangige Offiziere entlässt

Orbán traf den türkischen Außenminister Mevlut Cavusoglu am 31. Januar 2023.

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