Evakuierungen in Ostukraine, Separatistenchef: "Steuern auf Krieg zu"

Russische Panzer beim Militärmanöver in Belarus
Verschärfte Töne und gegenseitige Beschuldigungen, russische Medien berichten von Pipeline-Explosion.

Wer vor einigen Tagen gedacht hat, die Krise rund um die Ukraine entspanne sich, wurde eines Besseren belehrt. Nicht nur, dass die Gefechte in der Ostukraine zuletzt massiv zugenommen haben – die OSZE hat eine Verzehnfachung der Angriffe registriert -, jetzt haben die Führungen der selbsternannten "Volksrepubliken" Donezk und Lugansk eine Massenevakuierung der Bewohner angekündigt. Dort leben in Summe 3,6 Millionen Menschen.

Per Sirenen und Lautsprecher wurden Ältere, Frauen und Kindern aufgefordert, mit organisierten Bussen Richtung Russland ins Gebiet Rostow zu fliehen, dort stünden Unterkünfte bereit. Als Grund nannte der Chef der Donezker Separatisten in einem Video, dass die ukrainischen Streitkräfte würden „in Kampfformation an den Grenzen des Separatistengebietes stehen“ und wohl demnächst angreifen würden. Gleichzeitig wurden Milizen dazu aufgerufen, sich zu formieren. Separatistenchef Denis Puschilin sagte: "Die Situation steuert auf einen Krieg zu."

Das ukrainische Verteidigungsministerium dementierte die Vorwürfe.

Russische Berichte über Explosion von Pipeline

In der  Region von Luhansk  soll laut russischen Nachrichtenagenturen eine Gaspipeline explodiert sein. Dabei sei ein Brand ausgebrochen, meldeten Interfax und RIA Nowosti. Laut Agentur Tass kam es dort danach zu einer weiteren Explosion. Nach der Detonation der Pipeline habe es auch im Stadtgebiet Luhansk eine Explosion gegeben, meldete die Agentur unter Berufung auf örtliche Behörden.

"Vorwand"

Experten befürchten nun, dass dies als Vorwand dient, um die „Volksrepubliken“ formell anzuerkennen und ein Eingreifen zu legitimieren. Auch der angekündigte Truppenabzug der Russen war wohl nämlich eher eine Neupositionierung der Truppen, sagen Experten - die USA mutmaßen sogar, dass nun bis zu 190.000 Soldaten an der Grenze stationiert sind.

Dass Präsident Wladimir Putin heute verlauten ließ, dass er im südlichen Militärbezirk bei einer Nuklearübung dabei sein wird, wird die Lage auch nicht beruhigen. Laut Kreml sei diese Reise zwar nicht ungewöhnlich, weil der Termin sei schon lange zuvor geplant war und es Putin als Oberbefehlshaber bei einer derart sensiblen Übung brauche. Dennoch wirkt der Schritt überraschend: Putin war zuletzt selten öffentlich zu sehen, und wenn, nur in großer Distanz zu anderen.

In Donezk ist es außerdem der russischen Agentur RIA Nowosti zufolge Freitagabend zu einer Explosion gekommen. Der Vorfall habe sich in der Nähe des Regierungsgebäudes der Separatisten ereignet.

Nach Ansicht von US-Präsident Joe Biden plant Russland, die Ukraine nächste Woche anzugreifen, inklusive der bevölkerungsreichen Hauptstadt Kiew. Er sei "überzeugt", dass der russische Präsident Wladimir Putin den Entschluss für einen Einmarsch in die Ukraine getroffen habe, sagte Biden am Freitag im Weißen Haus. Es wäre nicht das erste Mal, dass Biden einen solchen Angriff voraussagt - und es dann zu keinem kommt.

Beliebtheitswerte steigen

Man kann annehmen, dass es um die Öffentlichkeitswirksamkeit der Bilder geht, eher nach innen hin als Richtung Westen. Seit die Lage an der Grenze angespannter ist, steigen Putins Beliebtheitswerte leicht. In den staatlichen Medien wird auch alles unternommen, um die Lage so schlimm als möglich zu illustrieren: Es wird von angeblichem  „Genozid“ der Ukrainer an der russischsprachigen Donbass-Bevölkerung berichtet; eine Formel, die Putin auch benutzt. Auch sie, sagen Experten, diene nur der Legitimierung eines Eingreifens - schließlich gelte es, die russischsprachige Bevölkerung zu schützen.

Im Kreml gab man sich erst ahnungslos, was die Evakuierungen betrifft.  "Ich weiß nicht, was derzeit dort los ist", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow auf eine dementsprechende Journalisten-Frage. Wenig später befahl Wladimir Putin laut der Nachrichtenagentur TASS, die Aufnahme der Flüchtlinge zu organisieren.

 

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