Warum gerade die Balten Weißrusslands Opposition so massiv unterstützen
Die Proteste gegen den weißrussischen Diktator Alexander Lukaschenko gehen nach den offenbar manipulierten Präsidentschaftswahlen vom 9. August schon in die vierte Woche. Der 66-Jährige, der seit 1994 an der Macht ist, will die Sache offenbar aussitzen – und schreckt auch vor Gewalt nicht zurück: Laut UN-Angaben gibt es 450 Fälle von Folter und Misshandlungen in den Gefängnissen.
Dennoch lässt die Demokratie-Bewegung nicht locker. Sie hat jetzt die Gründung einer eigenen Partei bekannt gegeben. „Wmestje“ (Miteinander) soll sie heißen – und darf wohl mit starker Rückendeckung vor allem durch die drei baltischen Staaten rechnen. Doch warum gerade Litauen, Estland und Lettland? Das hat mehrere Gründe
„Der baltische Weg“ – so nannte man damals, im August 1989, die gemeinsame Kraftanstrengung, das sowjetische Joch abzustreifen: Rund zwei Millionen Bürger bildeten eine 650 Kilometer lange Menschenkette von Tallinn (Estland) über Riga (Lettland) bis Vilnius (Litauen. Und sie erlebten Solidarität aus Weißrussland. Diese lassen nun die drei Staaten den dortigen Massen, die jetzt ebenso nach Freiheit streben, auch zuteilwerden.
Der Kopf der weißrussischen Demokratie-Bewegung, Swetlana Tichanowskaja, hat längst in Litauen Asyl gefunden. Am kommenden Freitag wird sich die 37-jährige ehemalige Englischlehrerin per Video-Schaltung sogar an den UN-Sicherheitsrat wenden – auf Einladung von Estland, das derzeit ein (nicht-ständiges) Mitglied des Gremiums ist. Und Lettland hat unabhängig von der EU eigene Sanktionen gegen das Regime in Minsk beschlossen. Alle drei baltischen Staaten hatten Brüssel von Anfang an gedrängt, Strafmaßnahmen gegen Weißrussland zu verhängen – bis die EU einlenkte.
Freunde und Familie
Es sind vor allem Litauer, aber auch die benachbarten Polen, die über die Grenzen hinweg (von der Hauptstadt Vilnius sind es nur 45 Kilometer bis Belarus) Freunde, ja auch Familie haben. Lebten Balten wie Weißrussen doch bis zum Ende der UdSSR unter einem gemeinsamen Dach.
Doch es gibt noch viel weiter zurückreichende Verbindungen, die im 14. Jahrhundert wurzeln. Damals stieg das Großfürstentum Litauen zu einer europäischen Großmacht auf. Das Territorium umfasste 850.000 (zum Vergleich: Deutschland hat 357.000 ). Das Gebiet erstreckte sich bis ans Schwarze Meer, die heutige Ukraine und das heutige Weißrussland bildeten quasi das Zentrum des Gebildes. Nach der Vereinigung des Großfürstentums mit Polen 1569 verringerte sich der Einfluss Litauens zugunsten Polens, was Warschaus Parteinahme für die weißrussische Opposition heute zusätzlich erklärt.
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