Weißrussland: Regime geht massiv gegen Journalisten vor

Weißrussland: Regime geht massiv gegen Journalisten vor
Westlichen Medienvertretern und ihren heimischen Mitarbeitern wurden Akkreditierungen entzogen. ARD.Team wurde festgenommen.

Die autoritäre Staatsführung in Weißrussland (Belarus) geht angesichts der anhaltenden Proteste gegen Langzeit-Machthaber Alexander Lukaschenko massiv gegen Journalisten vor. Mehreren Vertretern westlicher Medien seien die Akkreditierungen entzogen worden, berichtete ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am Samstag in Minsk. Davon betroffen waren auch Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP, der britischen Senders BBC sowie des US-Senders Radio Liberty. Einige seien bereits des Landes verwiesen worden.

Medienvertreter berichteten der dpa, dass Sicherheitskräfte sie über Nacht festgehalten hätten. Die Behörden wollen damit eine Berichterstattung über die landesweiten Proteste verhindern. Unter den Festgenommenen befand sich auch ein dreiköpfiges Kamerateam der ARD, das über Nacht auf einer Polizeistation in Minsk festgehalten wurde, wie der Sender WDR am Samstag mitteilte.

Das ARD-Kamerateam wurde vor seinem Minsker Hotel festgenommen. Bei den Mitarbeitern handle es sich um einen russischen Kameramann und seinen russischen Assistenten sowie einen weißrussischen Producer. Alle drei seien zum Zeitpunkt ihrer Festnahme ordnungsgemäß akkreditiert gewesen.

Einreiseverbot

Die offiziellen Akkreditierungen seien den Kameraleuten aber inzwischen entzogen worden, erklärte der WDR. Die beiden russischen ARD-Mitarbeiter seien mit einem fünfjährigen Einreiseverbot belegt und nach Russland ausgewiesen worden. Dem weißrussischen Producer drohe ein Prozess.

WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn nannte den Umgang mit dem Kamerateam "absolut inakzeptabel". Der Fall zeige, dass eine unabhängige Berichterstattung in Weißrussland "immer weiter erschwert und beinahe unmöglich gemacht wird".

Kampf gegen Extremismus

Noch ist unklar, wie vielen ausländischen Journalisten genau die Akkreditierung entzogen wurde. Ein Sprecher des Außenministeriums in Minsk erklärte am Samstag, die Entscheidung sei auf der Grundlage einer Empfehlung der Regierungskommission zum Kampf gegen Terrorismus und Extremismus gefallen.

Die BBC-Journalistin Tatjana Melnitschuk (Tatyana Melnichuk) sagte der AFP: "Das weißrussische Außenministerium rief mich an und teilte mir mit, dass meine Akkreditierung und die einer meiner Kollegen als BBC-Korrespondenten annulliert worden sei."

KGB entscheidet

Die Behörden hätten verlangt, dass sie ihren Presseausweis zurückgebe. Über den Entzug der Arbeitserlaubnis entscheidet eine Kommission für die Informationssicherheit unter anderem mit Vertretern des Verteidigungs- und des Innenministeriums und des Geheimdienstes KGB.

In Weißrussland gibt es seit drei Wochen Massenproteste gegen den seit 26 Jahren autoritär regierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko. Die Protestbewegung wirft der Regierung massiven Betrug bei der Präsidentschaftswahl vom 9. August vor, die Amtsinhaber Lukaschenko nach offiziellen Angaben mit 80 Prozent der Stimmen gewonnen hatte.

Auch die EU erkennt das Wahlergebnis nicht an. Wegen der Gewalt gegen friedliche Demonstranten bei Protesten leiteten die EU-Außenminister Sanktionen gegen die Führung des Landes, zunächst nicht aber gegen Lukaschenko selbst, in die Wege.

Zurückweisung

In Weißrussland benötigen Medienschaffende eine Akkreditierung, um dort überhaupt arbeiten zu können. Die Behörden in der früheren Sowjetrepublik hatten zuletzt Journalisten ohne diese Arbeitserlaubnis bereits am Flughafen in Minsk zurückgewiesen.

Seit der umstrittenen Wahl vor rund drei Wochen gibt es landesweit Demonstrationen gegen Lukaschenko, der den Wahlsieg mit 80,1 Prozent der Stimmen für sich beansprucht. Die EU erkennt die Wahl nicht an. Sie wird als grob gefälscht international kritisiert. Länder wie Russland und China gratulierten Lukaschenko aber zum Sieg.

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