Israel, die USA, Großbritannien – sie alle sind schneller als die EU, die beim Impfen massiv hinterherhinkt. Was machen die anderen besser als die EU?
Genau genommen hat die EU das Wettrennen um die Impfstoffe schon vor einem Jahr verloren. Denn bereits im vergangenen Februar beauftragte die US-Führung erste Pharmafirmen mit der Erforschung von Impfstoffen – und das, obwohl US-Präsident Trump das Virus stets heruntergespielt hatte.
In der EU war da von einer ähnlichen Initiative noch nichts zu hören und zu sehen.
Einige Wochen später, aufgeschreckt von der ersten Pandemiewelle, streckten Frankreich, Deutschland, Italien und die Niederlande ihre Fühler zu Pharmafirmen aus.
Sofort wuchs die Panik im Rest Europas: Muss jeder EU-Staat einzeln mit den Pharmariesen verhandeln, würde er wohl erst Jahre später zu Impfstoffen kommen. Und so übernahm im Juni die EU-Kommission im Namen aller 27 EU-Staaten das Verhandeln. Zu einem Zeitpunkt, an dem Trump für die US-Pharmaforschung 10 Milliarden Dollar locker gemacht hatte. Später wurden sogar 18 Mrd. daraus.
Die EU brachte im Vergleich dazu nur vier Milliarden Euro für Forschung, Vorkaufverträge und Risikoproduktion auf. Pro Kopf haben die USA 29 Euro, Großbritannien 28 und die EU 4 Euro an öffentlicher Förderung für die Impfstoffentwicklung aufgewendet.
Fazit: Die EU war zu knausrig – sagt auch Guntram Wolff, Direktor der Brüsseler Denkfabrik Bruegel: „Niedrige EU-Einkaufspreise könnten die Lieferungen zusätzlich verlangsamt haben.“
Anders gesagt: Käufer wie Israel oder die USA, die tiefer in die Tasche gegriffen haben, dürften von den Pharmafirmen rascher beliefert worden sein. Ein „koste es, was es wolle Effekt“ wäre also auch in Europa nötig gewesen, um die Impfstoffforschung noch schneller voranzutreiben.
Woran es hingegen nicht mangelt, ist die bestellte Menge: 2,3 Milliarden Impfdosen bei sechs Konzernen hat die EU geordert. Die entscheidende Frage ist: Wann werden sie geliefert?
Was das Ganze so schwierig macht: Die EU ist eben die EU – also kein Staat wie die USA, wo eine Regierung entscheidet. In der EU heißt es, 27 Regierungen auf einen Konsens zu bringen. Und was der einen zu riskant scheint, ist der anderen zu wenig.
So waren einige osteuropäische Länder lang skeptisch gegenüber dem neuartigen mRNA-Impfstoff von Pfizer/Biontech – und schreckten vor den hohen Summen zurück.
Verlorene Wochen
Dadurch dauerten die Verhandlungen im Sommer einige Wochen länger – Wochen, die jetzt beim Impfen fehlen.
Lang gestritten wurde auch über die Haftungen. Für die EU ist es ein absolutes Muss: Bei Schäden haften die Pharmakonzerne und nicht der europäische Steuerzahler.
Das aber lässt sich nur über die langwierigere Zulassung von Impfstoffen durch die EU-Arzneimittelagentur EMA machen. Und auch dies braucht im Schnitt drei Wochen länger als eine Notfallzulassung, wie sie Großbritannien umsetzte.
So summierten sich die Wochen zu einem Rückstand, den Europa beim Impfen so bald nicht mehr aufholen wird. Auch wenn im zweiten Quartal dann die Lieferungen der Impfstoff-Dosen massiv zunehmen wird.
Der Imageschaden für die „europäische Impfstoffstrategie“ lastet schwer auf EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Und das für ein Projekt, das ein „Leuchtturm für europäischen Zusammenhalt“ hätte sein sollen.
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