Den russischen Präsidenten hat der Bulgare mehrmals persönlich getroffen. „Putin glaubt wirklich, dass der Westen im Untergang begriffen ist und dass die Ukraine nicht existiert“, erinnert sich Krastev, „und deswegen wird der Krieg nicht bald enden. Denn wenn Putin verliert, verliert er alles.“
Auf Europa aber, das sich überraschend schnell geschlossen gegen Moskau gestellt habe, komme erst jetzt der wahre Härtetest zu, sagt Krastev. Die Sanktionen wie das nun bevorstehende Ölembargo gegen Russland beginnen die EU selbst zu schmerzen. Und fraglich sei, so der Philosoph, wie lange Europa das aushalten könne. Doch er ist überzeugt: „Wenn Europa keinen Schmerz ertragen kann, verlieren wir an Relevanz.“
Auf jeden Fall sei diese „romantische Periode, in der die EU über ihre eigene Geschlossenheit fasziniert war“, mittlerweile vorbei, warnt der Politologe gewohnt düster. Und auch die oft beschworene Forderung, dass die Europäische Union endlich autonomer werden und mehr auf eigenen Füße stehen müsse, birgt aus der Sicht Krastevs Gefahren: „Wenn man komplett autark sein will, schadet man sich auch selbst, weil irgendwann die Preise steigen.“
Auch Maros Sefkovic, Vize-Präsident der EU-Kommission, hat Kremlherrn Putin in den vergangenen Jahren mehrmals getroffen. Seine Erinnerungen an die Gespräche mit dem russischen Präsidenten fallen ebenso freudlos aus wie jene Krastevs. Und so wie der bulgarische Politologe geht auch der slowakische EU-Kommissar davon aus, dass sich der Krieg in der Ukraine noch lange hinziehen wird.
Die EU müsse indessen mit aller Kraft daran arbeiten, ihre „strategische Unabhängigkeit“ zu erreichen. Immer wieder erwähnt Sefkovic die in seinen Augen besonders fatale Abhängigkeit der EU bei Rohstoffen:
Zu 90 Prozent komme das Rohmaterial für die dringend benötigten Halbleiter von außerhalb der EU. „Wir müssen uns mehr auf unsere eigenen Beine stellen, aber auch die Beziehungen zu unseren Handelspartnern stärken. Wir müssen jetzt wissen, wer unsere Freunde sind.“
Kommentare