Russlands Krieg und die EU: Und sie bewegt sich doch

Heute vor einer Woche war das alles noch unvorstellbar: Eine Europäische Union, die erstmals in ihrer Geschichte Waffen liefert, mitten in das Kriegsgebiet der Ukraine. Eine EU, die sich nicht streitet und gegenseitig blockiert, wenn es darum geht, Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen Flüchtlinge über Europa zu verteilen.
Im Gegenteil: Ohne große Bürokratie und schnell war die Lösung unter allen 27 Staaten gefunden, die ukrainischen Flüchtlinge dürfen bis zu drei Jahre bleiben.
Und nicht zuletzt hat die EU zur schärfsten ihr verfügbaren Waffe gegriffen: Ultraharte Finanz- und Wirtschaftssanktionen. So schmerzhaft, dass sie nicht nur Wladimir Putins Pläne durchkreuzen sollen, sondern Europa selbst zu schaffen machen werden. Dafür müssen viele Staaten, darunter auch Österreich, über ihren wirtschaftlichen Schatten springen.In ihrer Antwort auf den Kriegszug Russlands entwickelt die EU außergewöhnliche Tatkraft.
Oft als behäbig, bürokratisch, kompliziert, übergriffig, schwach und zu langsam kritisiert, hat sie binnen weniger Tage zu Einigkeit und Entschlossenheit gefunden. „Und sie bewegt sich doch“, möchte man Galileo Galilei zitieren und den Skeptikern entgegenhalten, wenn sie an Sinn und den tatsächlichen Erfolgen der EU zweifeln. Die große Handelsmacht Europa entdeckt ihre wuchtigen politischen Hebel erstmals darin, dass sie Handel blockiert.
Mehr als fraglich ist allerdings, ob Europas selbst entdeckte neue Macht reichen wird, um die Ukraine zu retten. Selbst wenn die grimmige Entschlossenheit, Putins Wahnsinn nicht einfach hinzunehmen, den Kremlherrn überrascht haben sollte, wird er seine Panzer so schnell nicht zurückholen. Mit rationalem Vorgehen ist einem Brandstifter nicht so einfach die Fackel zu entreißen.
Und doch war es das Gebot der Stunde: Putin darf mit seinem Krieg, seiner Gewalt, seiner Idee, Teile eines anderen Landes einfach zu erobern, nicht durchkommen. Es wäre das Ende jener Weltordnung, in der wir leben wollen. Eine existenzielle Erschütterung für Europa, für uns alle.
Wahr ist, dass Europa seine großen Sprünge nach vorne nur in Krisenzeiten macht. So war es in der Finanzkrise 2008, wo neue Instrumente entwickelt wurden, um nicht gemeinsam unterzugehen. So war es die Pandemie, die die Union zu einem nie da gewesenen finanziellen Kraftakt vereinte und ein Tabu fallen ließ: gemeinsames Schulden machen.
Und jetzt Wladimir Putin und sein Krieg, wie man ihn sich nicht hatte vorstellen können.
Europa kann also, wenn es wirklich will. Und man kann nur hoffen, dass das auch für die nächste große Herausforderung gilt: die Klimakrise. Die steht nämlich auch schon vor unserer Tür.


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