Wahlen in Ostdeutschland: Sieg mit bitterem Nachgeschmack
Im Willy-Brandt-Haus war man vorbereitet: Bei vorhersehbar schlechtem Wahlausgang gibt es nichts zu feiern. Also war das Atrium in der Kreuzberger Parteizentrale bis auf Reporter und Kamerateams fast leer. Die Sozialdemokraten mussten in Brandenburg ein historisch schlechtes Ergebnis hinnehmen. Bis zuletzt lieferten sie sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der AfD, deren Spitzenkandidat Andreas Kalbitz keinen Hehl aus seiner rechtsextremen Vergangenheit macht. In den Hochrechnungen um 20 Uhr kam die SPD auf 26,2 Prozent, knapp vor der AfD, die ihr Ergebnis zu 2014 verdoppeln konnte und 23,5 Prozent erreichte.
Was sie in Ostdeutschland so erfolgreich macht, hat verschiedene Gründe. „Die AfD versucht, sich als die Vertreterin genuiner ostdeutscher Interessen zu profilieren. Das war bisher das Geschäft der Linken“, erklärt Politikwissenschafter Hans Vorländer.
Die Wurzel der Unzufriedenheit mancher Ostdeutscher liegt auch in den Fehlern der Wiedervereinigungspolitik. Die Privatisierung der Staatsbetriebe durch die „Treuhand“ führte etwa dazu, dass sie in den Besitz westdeutscher Geschäftsleute gingen. Viele verloren dadurch ihre Jobs, ihre Ausbildung war nichts mehr Wert. Abwanderung spielt ebenfalls eine große Rolle: Zwei Millionen Menschen sind seit der Wende weggezogen. Daten aus den Nachwahlbefragungen von Infratest dimap zeigen, dass die AfD in Wahlkreisen besonders erfolgreich ist, die stark schrumpfen. In Brandenburg gaben zudem 56 Prozent der Wähler an, sie empfinden sich als Bürger zweiter Klasse. Genau an dieses Gefühl hat die AfD im Wahlkampf angeknüpft.
Auch in Sachsen fuhr sie diese Strategie. Dort verlor die CDU von Ministerpräsident Michael Kretschmer fast sieben Prozentpunkte, konnte aber mit 32 Prozent stärkste Kraft bleiben. Die AfD kam auf 27,5 Prozent, ihr bisher größter Erfolg in Sachsen.
Debatten stehen an
Im Konrad-Adenauer-Haus bewertet man das Ergebnis daher mit gemischten Gefühlen. Kretschmers Sieg verschafft Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer eine Verschnaufpause. Es könnten ihr aber noch Debatten bevorstehen, etwa wenn es um die Analyse der Stimmverluste geht – in beiden Ländern kam die CDU auf ihr schlechtestes Ergebnis. Diskussionen könnte auch die Frage auslösen, mit wem die Sachsen-CDU nun koalieren soll. Bekannt ist, dass einige Abgeordnete wenig von der AfD-Abgrenzungsstrategie ihres Landeschefs bzw. der Bundespartei halten. Und über Alternativen mit den Grünen nicht erfreut sind. Sie konnten in beiden Ländern leicht zulegen, obwohl der Osten für sie ein hartes Terrain sind. Wenn es nun eine Koalition jenseits der AfD geben soll, werden die Grünen wohl gebraucht.
Ebenso in Brandenburg, wo es für das bestehende Bündnis aus SPD und Linke keine Mehrheit mehr gibt. Ministerpräsident Dietmar Woidke will jedenfalls weitermachen. Wie? Das wird sich zeigen.
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