Zeman gewinnt Präsidenten-Wahl
Die aggressive Wahlkampagne hat sich gelohnt, der Linkspopulist Milos Zeman wird den nicht weniger populistischen Vaclav Klaus auf der Prager Burg ablösen. Mit 55 Prozent der Stimmen siegt er in der Stichwahl klar über seinen Konkurrenten Karel Schwarzenberg, der auf 45 Prozent kam.
Offen hatte Zeman auch die sudetendeutsche Karte ausgespielt, die Menschen im Grenzland zu Österreich und Deutschland heute noch verunsichert. Sie fürchten, ihre Häuser zu verlieren, die einst vertriebenen Deutschböhmen gehört haben.
Angriffslustig
Die Tschechen könnten sich jetzt schon auf ein Staatsoberhaupt freuen, das Konfrontation nicht scheue, sagte Zeman, obwohl der tschechische Präsident nicht mehr Kompetenzen hat als der österreichische.
Bei vielen Wahlkampf-Debatten lieferte Zeman Kostproben seines derben Stils. Er werde Ermahnungen direkt beim Premier abliefern, à la: „Sie haben einen Landwirtschaftsminister, der Weizen von Gerste nicht unterscheiden kann.“
Viele seiner Gegner fürchten nun politische Folgen. Zemans Nähe zur KP (er bat offen um ihre Unterstützung) und seine Verflechtung mit russischen Kapital (einer seiner Berater ist an der russischen Lukoil beteiligt) könnten die Prager Politik in alte Zeiten zurückführen.
Zeman zieht in die Dienstvilla auf der Prager Burg mit einer öffentlichkeitsscheuen First Lady, die Geheimnisse um ihren jetzigen Arbeitgeber macht. Auch Zeman selbst verriet nur, dass sie in einem Büro arbeite. Schwarzenbergs Fans haben bis zum Schluss unverdrossen für ihn geworben. In manchen Wirtshäusern wurde am Freitagabend jenen, die den Wahlzettel für Zeman vorweisen konnten, gratis Bier ausgeschenkt. Schließlich galt das als Beweis dafür, dass sie den Zettel für Schwarzenberg eingeworfen hatten.
Für ihre eigenen Feiern hatten die Kandidaten vorsorglich große Räumlichkeiten angemietet. Milos Zeman zog ganz standesbewusst in die Vorstadt: In eines der größten Kongresszentren des Landes, das Hotel Top.
Neue Parteien?
Schwarzenberg übersiedelte vom Theater Archa, wo er nach der ersten Wahlrunde auf die Ergebnisse gewartet hatte, in das geräumigere Lucerna am Wenzelsplatz. Der Großvater seines verstorbenen Freundes Vaclav Havel hat den Veranstaltungskomplex in den Zwanzigerjahren erbaut. An Schwarzenbergs Seite: Seine Familie, prominente Künstler, sowie Vertreter des internationalen Hochadels.
Politologen überlegen, wohin sich die politische Bewegung der Schwarzenberg-Anhänger nun richten könnte. Es sind junge liberale Wähler, die für eine offene Zivilgesellschaft eintreten und etablierte Parteien ablehnen. Sollte sich Schwarzenberg tatsächlich aus der Politik zurückziehen, könnten neue Parteien auftreten. Der Außenminister selbst verabschiedete sich am Samstag vorerst nur aus seinem Wahlkampf mit einem schlichten Wunsch: „Auf Wiedersehen in besseren Zeiten.“
Streit um die Beneš-Dekrete, wüste Nazi-Anschuldigungen gegen Karel Schwarzenberg und zum Abschluss noch ein Ex-Agent des kommunistischen Geheimdienstes als Geldgeber einer Zeitungsanzeige gegen den Konkurrenten: Der Linkspopulist Milos Zeman hat für seine Wahlkampagne eine schaurige Versammlung von Geistern aus der Vergangenheit zusammengerufen. Noch schauriger aber war es, zu beobachten, wie leicht und erfolgreich sich mit diesen Geistern auch in Tschechien Politik machen lässt. Das Thema Beneš-Dekrete und die Vertreibung der Deutschböhmen nach dem Zweiten Weltkrieg ruft tiefsitzende Ängste der Tschechen, vor allem in den Grenzgebieten, wach.
Dass Zeiten der Krise ein Freispiel für Populisten sind, vor allem für jene, die den Verlierern Sicherheit und Rache an den Bösen da oben versprechen, ist ein bekanntes Phänomen überall in Europa. Doch wie leicht sich mit der blutigen Geschichte des 20. Jahrhunderts noch heute Emotionen schüren lassen, erschreckt. Ist Tschechien doch kein Einzelfall: In Budapest träumt man großungarische Träume, in Polen bedient man bei Bedarf den Hass auf deutsche Minderheiten und sogar im reichen Südtirol kann man mit „Los von Rom“-Parolen Stimmung machen.
Gerade unsere Nachbarschaft mit den Tschechen hat sich bis heute – aller Mitteleuropa-Folklore zum Trotz – von Jahrhunderten gemeinsamer, schwieriger Geschichte nicht erholt. Dass der neue Präsident sich schamlos dieser Geschichte bedient, um Wahlkampf zu machen, ist kein gutes Vorzeichen für die kommenden Jahre. Es ist zu befürchten, dass auch in Österreich die Meister der bewährten Ressentiments gegen die bösen Tschechen schon bereitstehen, um rechts der Mitte ein paar billige Punkte zu machen. Fast kann man damit rechnen, dass der neue Herr in der Prager Burg ihnen schon demnächst einmal den Ball auflegen wird. Hoffentlich findet sich dann bei uns jemand, der den Mut hat, das misstönende Duett aus Linkspopulismus da und Rechtspopulismus dort zu unterbrechen – vielleicht sogar in unserer Hofburg.
Für den einstigen tschechischen Regierungschef Milos Zeman schlägt die Stunde der großen Genugtuung. Er wird Staatspräsident, worum er sich bereits vor zehn Jahren bemüht hat. Damals erlitt er allerdings eine schwere und schmähliche Niederlage. Ein Teil der Abgeordneten seiner eigenen Partei - damals der Sozialdemokraten (CSSD) - unterstützte ihn nicht, weil er nach seinem Abgang von der Regierungsspitze 2002 die CSSD-Führung öffentlich kritisiert hatte. Zeman fiel unerwartet rasch aus dem Rennen.
Jetzt ist die Situation anders. Der Staatschef wurde nicht mehr vom Parlament, sondern direkt vom Volk gewählt. Die Bevölkerung ist derzeit politisch eher links gerichtet. Dies hat auch mit der Mitte-Rechts-Regierung zu tun, die wegen drastischer Sparmaßnahmen und zahlreicher Korruptionsaffären sehr unpopulär ist.
"Endlich Pensionist"
Zeman, ein studierter Ökonom, bewarb sich um das höchste Staatsamt, obwohl er nach 2003 oftmals beteuert hatte, nie mehr in die Politik zurückzukehren und sich "endlich als Pensionist" in seinem Haus in Nove Veseli auf der Böhmisch-Mährischen Anhöhe zur Ruhe zu setzen. Auch Ambitionen auf das Präsidentenamt bestritt er wiederholt. Doch Freunde gestanden, dass er im Inneren doch Staatschef werden wollte, vor allem, wenn dieser vom Volk gewählt werde.
Zeman verließ die CSSD im Jahr 2007, nachdem sich die Spannungen zwischen ihm und der Parteiführung verstärkt hatten. Er gründete eine eigene Partei, die Partei der Bürgerrechte (SPOZ), deren Ehrenvorsitzender er ist. Den Einfluss auf seine ehemalige Partei verlor er aber nicht, obwohl ihn die CSSD-Führung mit Bohuslav Sobotka an der Spitze offenkundig nicht ausstehen kann. "Milos Zeman ist ein trojanisches Pferd der Rechten“, warnte Vizeparteichef Lubomir Zaoralek. Er spielte darauf an, dass die Zeman-Partei den Sozialdemokraten bei den Parlamentswahlen 2010 fast fünf Prozent der Stimmen wegnahm, die der CSSD schließlich fehlten.
Klaus als Unterstützer
Zeman konnte sich nicht nur auf die Unterstützung seiner traditionellen Linkswähler stützen. Gewisse Sympathien genießt er auch bei manchen Konservativen. Dafür kann er auch dem scheidenden Staatschef und seinem einstigen Erzrivalen Vaclav Klaus danken. Obwohl Zeman und der konservative Klaus stets auf den gegenüberliegenden Polen der politischen Szene standen, respektierten sie einander als "Männer, die Vereinbarungen immer einhalten". "Ich sehe Milos Zeman als bedeutende Persönlichkeit der tschechischen Politik, woraus ich nie einen Hehl gemacht habe", erklärte Klaus über den früheren Weggefährten. Er muss jetzt auch nicht an Emigration denken, was er im Fall eines Siegs von Karel Schwarzenberg getan hätte.
Politiker mit loser Zunge
Der durch seine Sprüche und Bonmots bekannte Zeman bleibt auch als Politiker in Erinnerung, der mit irritierenden Aussagen in den Beziehungen zum Ausland für Konflikte gesorgt hatte. Viel Ärger handelte er sich in Wien ein, als er 2002 in einem Interview erklärte, je früher Österreich "Jörg Haider und seine postfaschistische Partei loswird, desto besser". Bald danach bezeichnete Zeman, der fließend Englisch und Russisch spricht, die Sudetendeutschen als "fünfte Kolonne von Adolf Hitler", die mit der Vertreibung noch milde davon gekommen seien. Für die Österreicher bleibt Zeman auch als Unterstützer der EU-14-Sanktionen gegen die schwarzblaue Regierung und als Ehrengast bei der Inbetriebnahme des südböhmischen Atomkraftwerks Temelin in Erinnerung.
In den Jahren 1968 bis 1970 war Zeman KP-Mitglied, 1970 wurde er aber ausgeschlossen, weil er mit dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die damalige Tschechoslowakei nicht einverstanden war. Er ist zum zweiten Mal verheiratet und Vater eines Sohnes aus erster Ehe und einer Tochter aus zweiter Ehe.
Kommentare