Eine Wahl mit vielen Emotionen
Von einer politischen Müdigkeit kann man in Böhmen und Mähren nichts bemerken. Dort sah man in den vergangenen Tagen die heftigste Wahlkampagne aller Zeiten. Keiner ahnte, welche Emotionen frei werden. Milos Zeman gegen Karel Schwarzenberg, die historisch erste Direktwahl des Präsidenten der Republik, das ist Brutalität.
Der frühere sozialdemokratische Premier Zeman hatte vor zwei Wochen die erste Runde mit 24,3 Prozent der Stimmen gewonnen, „Fürst“ Schwarzenberg kam mit 23,4 Prozent überraschend knapp auf den zweiten Platz. Die Gesellschaft ist polarisiert, die Risse gehen quer durch die Parteien und Familien. Zum ersten Mal sind die Menschen bereit, ihre Präferenz offen kundzutun. Scheinbar ganz Prag trägt Ansteckknöpfe mit „Karel for president“. Schulkinder tragen Leiberln mit dem Schwarzenberg-Porträt. Im Internet kursieren Dutzende Videos mit selbst komponierten Wahlsongs für den „Fürsten“. Junge Schwarzenberg-Anhänger zogen Donnerstag mit Fliege um den Hals und Pfeife im Mund durch die Prager Altstadt und riefen „Karel auf die Burg“.
In die Emigration
Auf dem Land und in Mähren hängen an privaten Häusern eher Zeman-Plakate. Für den linken Kandidaten warb bis zuletzt auch Vaclav Klaus: „Im Falle, dass der Fürst gewählt wird, würde ich die Emigration erwägen“ – diese SMS schickte der amtierende Präsident an einen seiner Freunde, der die Botschaft veröffentlichte.
Es war ein zermürbender Wahlkampf mit zahlreichen Untergriffen, für manche Unwahrheiten musste sich Zeman sogar entschuldigen. Die Kandidaten lieferten einander in den vergangenen zwei Wochen täglich im TV oder Radio ein Duell. In zwei Punkten sind sie sich einig: Keine Eile mit der Euro-Einführung, und beide sind für die Fertigstellung des AKW in Temelin.
Bei der abschließenden Debatte war auch Zemans Frau anwesend, die sonst die Öffentlichkeit scheut. Beiden Kontrahenten war anzusehen, dass sie physisch und psychisch ermattet sind.
Sehr intensiv und nicht immer objektiv war auch die Wahl-Berichterstattung der Medien. Die meisten großen Zeitungen waren auf Schwarzenbergs Seite. „Gott sei Dank haben wir es hinter uns“, schrieb etwa die konservative Lidove Noviny, „nicht die Medien haben die Agenda bestimmt, sondern Milos Zeman, der in die Vergangenheit gegriffen hat. Dahin gehört er selbst.“
Schwarzenberg hatte im Wahlkampf gesagt, die Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg würde heute als Kriegsverbrechen gelten. Schwarzenberg wurde als gar nichttschechischer Politiker denunziert.
Große Gewinner sind schon jetzt die Wettbüros. Die Mehrheit hat auf Milos Zeman gesetzt. Ob richtig oder falsch, wird sich am Samstag um 16 Uhr weisen. Zum Feiern oder Trösten ist die gesamte Familie Schwarzenberg in Prag angereist.
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