Seit 1979 ist der mittlerweile 72-Jährige im Amt. Elf Regionalwahlen hat er in diesem Zeitraum geschlagen, und alle mit absoluter Mehrheit gewonnen. Gordillo gehört der eurokommunistischen Strömung an, er selbst bezeichnet sich als „Anitkapitalist, Öko, Pazifist und Utopist“. Seinen Sohn hat er Libertad, Freiheit, genannt.
Mit seiner Politik und seiner Ausdauer ist er zu einem Symbol geworden – und zwar weit über die Gemeindegrenzen von Marinaleda hinaus. Im Dokumentarfilm „Ich kämpfe, also bin ich“ kommt Sánchez Gordillo ebenso lautstark zu Wort, wie in dem Buch des britischen Ex-Journalisten Dan Hancox „The Village Against the World“.
Womöglich wird die Lektüre bald verstärkt in Graz gelesen werden. Jedenfalls lohnt seit dem überraschenden Wahlsieg der KPÖ in der steirischen Landeshauptstadt ein Blick nach Marinaleda.
Die beiden Orte trennen freilich Welten – und das wohl auch noch lange Zeit. In Marinaleda leben lediglich 2.600 Menschen. Was beachtlich ist in einer Gegend, in der die gnadenlose Sommersonne nicht nur oft die Ernte verbrennt, sondern auch die Zukunftsaussichten der Jugend. Seit jeher ist die Landflucht groß. Überraschend lebendig wirkt aber Marinaleda. In dem Dörfchen gibt es ein Kulturzentrum, eine Sporthalle, ein Amphitheater und ein Schwimmbad.
Fast alle Bewohner sind in der Gemeinde angestellt, die meisten von ihnen beim landwirtschaftlichen Genossenschaftsverbund. Angebaut werden Oliven, Artischocken, Zucchini, Bohnen. In der eigenen Dosenfabrik wird das Gemüse weiterverarbeitet. Jeder im Ort, auch der Bürgermeister, verdient monatlich rund 1.200 Euro, längst kein schlechter Lohn mehr für Spanien.
Alles was die Genossenschaft zusätzlich erwirtschaftet, fließt in wohltätige Projekte oder in das Gemeindebudget. „Die Menschen hier brauchen nicht viel Geld“, meint der Bürgermeister, dessen Ort in der Region scherzhaft Autonome Republik Marinaleda genannt wird. Bei rund 50 Gemeindesitzungen im Jahr, zu denen alle Erwachsenen und Jugendlichen geladen sind, wird über alles abgestimmt.
Selbstbestimmung ist den Bewohnern wichtig. Denn es war ein langer Weg, diese zu erlangen. Auch weit nach dem Ende der Franco-Ära (1975) gehörte der Grund von Marinaleda dem Herzog von El Infantado, der im fernen Madrid residierte und sein Land und dessen Bewohner im Wortsinn auf dem Trockenen sitzen ließ.
Protest zeigte Wirkung
Zwölf Jahre lang besetzten die Bewohner, darunter Sánchez Gordillo, jeden Sommer die Finca des Adeligen und skandierten Parolen wie „Das Land denen, die es bearbeiten“. 1991 zeigte der Protest Wirkung. Die Region Andalusien kaufte dem Herzog das Land ab und stellte es der Gemeinde kostenlos zur Verfügung. Es war der Startschuss, um die sozialistischen Utopie Realität werden zu lassen.
Kritik an dem Modell gibt es dennoch. Gordillos Erzählung von der Vollbeschäftigung ist ein Märchen, wenngleich die Arbeitslosenquote niedriger ist als im Rest von Südspanien. Der Bürgermeister selbst kommt schon mal mit dem Gesetz in Konflikt. Während der Wirtschaftskrise organisierte Gordillo Plünderungen von Supermärkten.
Zuletzt wurde der Kommunist gar in Verbindung gebracht mit einer 400 Millionen Euro schweren Wertanlage. Die astronomische Summe wird fällig, wenn ein Verein Barcelona-Profi Ansu Fati, ein Juwel des Spaniens Fußballs, verpflichten will. Ohne Sánchez Gordillo wäre der Bursche aus Guinea-Bissau wohl nie Spanier geworden. Der Bürgermeister von Marinaleda war es, der dessen Vater einst eine Anstellung gab und dabei half, Frau und Kinder aus Afrika nachzuholen.
Kommentare