Bedeutungslos
Anders als die glorreichen Anfänge der drittältesten kommunistischen Partei vermuten lassen, attestieren Historiker ihr geringen politischen Stellenwert. Anton Pelinka etwa spricht von „faktischer Bedeutungslosigkeit“ der KPÖ als eine der „auffallenden Besonderheiten des österreichischen Parteiensystems“. Nur in drei Perioden war sie ein bedeutender historischer Faktor: Im eingangs angesprochenen Jahr 1919; von 1934 bis 1945, als die KPÖ zur wichtigsten Kraft der illegalen Arbeiterbewegung wurde und Triebkraft des antifaschistischen Widerstands war; und im ersten Nachkriegsjahrzehnt, als sie – auch aufgrund der Präsenz der sowjetischen Besatzungsmacht – Einfluss auf die innenpolitische Entwicklung hatte. 1945 zählte die KPÖ zu den Gründerparteien der Zweiten Republik und saß in der Regierung.
Wer einen Blick zurück wirft, erkennt rasch: Sowohl verdammen, als auch glorifizieren greift zu kurz.
Von einer Handvoll Revolutionären begründet, die im Ersten Weltkrieg am linken Rand der Sozialdemokratie gestanden sind, setzte man anfangs auf Aktionismus: Während der Massenkundgebung auf der Ringstraße aus Anlass der Ausrufung der Republik am 12. November 1918 holten die Kommunisten die neue rot-weiß-rote Fahne von der Stange vor dem Parlament, schnitten den weißen Streifen heraus und hissten mit den beiden anderen verknoteten Teilen eine rote Fahne – das Symbol der sozialistischen Republik. „Das war die erste Aktion, mit der die KPÖ in Erscheinung trat“, erzählt die Grazer Historikerin und Russland-Kennerin Barbara Stelzl-Marx.
Doch dann „ist die KPÖ während der ganzen Ersten Republik bedeutungslos geblieben“, weiß Mugrauer. Über die Gründe für das Schwächeln in den 1920ern sagt der KP-Kenner:
Auch der Verbalradikalismus der Kommunisten habe das seine getan und die Österreicher verschreckt. „Wobei man in der Realität eine moderate Politik betrieben hat.“ Weder im Landtag, noch im Nationalrat vertreten, machte man sich auf betrieblicher und kommunaler Ebene für kommunistische Ideen stark – ein Umstand, der sich durch die Geschichte der KPÖ ziehen sollte.
Widerstand
Mit dem Aufstieg der Austro-Faschisten kam das Verbot der KPÖ. In der Nazizeit wurde sie dann zum Sammelbecken für Widerstandskämpfer (siehe Grafik oben). Das wirkte nach. „Dass die KPÖ an der Nachkriegsregierung beteiligt war, ist ihrer wichtigen Rolle im antifaschistischen Widerstandskampf geschuldet“, denkt Mugrauer, der viel zur KPÖ geforscht hat.
Nach 1945 waren die Kommunisten übrigens in so gut wie allen Regierungen Westeuropas vertreten, „in Frankreich bei den ersten Wahlen sogar als stärkste Partei, in Italien als zweitstärkste. In Österreich aber war die KPÖ von Beginn an in der Defensive. Nirgendwo hat der Antikommunismus eine derart überragende Rolle gespielt wie hierzulande. Die Weichen waren von Anfang an auf Ausgrenzung gestellt“, sagt der DÖW-Historiker.
Stelzl-Marx wiederum weist auf einen latenten Antislawismus und das große Feindbild Rote Armee hin.
Das Stimmungsbarometer schlug immer mehr zugunsten des Westens aus.
Für Mugrauer ist es paradox, dass ausgerechnet „jene Partei, die am stärksten auf die Wiederherstellung Österreichs orientiert war, als antiösterreichische russische Partei stigmatisiert wurde.“ Das sei auch einer der Gründe, warum die KPÖ keinen Fuß mehr auf den Boden bekam. Ausgrenzung, enge Anbindung an und unkritisches Verhältnis der KPÖ zur Sowjetunion sowie die Rechtfertigung aller Verbrechen taten ein übriges.
Herumlavieren
Auch Stelzl-Marx diagnostiziert ein „Herumlavieren, was die dunkle Vergangenheit betrifft, vor allem wenn es um die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Stalinismus geht.“ Zum aktuellen Wahlerfolg meint die Grazer Historikerin, „dass sehr viele, die die KPÖ gewählt haben, das Parteiprogramm nicht gelesen haben. Viele würden die Ziele der KPÖ nicht unterstützen“, sagt sie und zählt auf: „Stürzen des kapitalistischen Systems, Wirtschafts- und Europafeindlichkeit. Ich glaube nicht, dass in Graz das KPÖ-Parteiprogramm gewählt wurde, sondern das soziale Engagement.“
Und so stehen selbst gestandene Kommentatoren dem Phänomen hilflos gegenüber. KP-Historiker Mugrauer: „Es gibt nur zwei Zugänge – alles, was mit KPÖ zu tun hat, wird entweder dämonisiert oder verharmlost.“
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