Ein Fall von "inländischem Terrorismus", so nennt das FBI inzwischen das Blutbad, das ein 21-Jähriger in der US-Grenzstadt El Paso in Texas verursacht hat. Eine Klarheit, um die sich, wie Kritiker anmerken, die US-Bundespolizei zu lange gedrückt hat. "Wir haben diese tödliche Gefahr, die unseren Hinterhöfen lauert, viel zu lange übersehen", meint etwa der demokratische Senator Dick Durbin gegenüber der Nachrichtenplattform Vice News: "Gewalttätige weiße Rassisten und andere rechte Extremisten sind der bedeutendste inländische Terrorismus, dem die USA heute gegenüber stehen."
Das FBI wehrt sich gegen die Vorwürfe: Man führe den Kampf gegen Rechtsextremisten mit vollem Einsatz. 850 Verdachtsfälle von inländischem Terrorismus würden derzeit untersucht, bei den allermeisten gehe es um rechte Gewalt. "Unser Focus sind Gewalttaten", erläuterte kürzlich FBI-Chef Christopher Wray, "wenn es um Gewalt geht, gehen wir großflächig dagegen vor. Aber als FBI ermitteln wir nicht gegen Ideologie, egal wie abstoßend die auch ist."
Doch genau deshalb handle man viel zu spät, meinen die Kritiker, rechtsextremistische Attentäter würden immer noch viel zu isoliert betrachtet, man kümmere sich zu wenig um deren Netzwerke, die inzwischen längst international seien. Die "einsamen Wölfe", als die rechtextreme Gewalttäter immer behandelt würden, also isolierte und daher schwer aufzuspürende Einzelgänger, seien in Wahrheit längst gut und oft auch international vernetzt.
"Der weiße rassistische Hass ist nicht nur ideologisches Gift für isolierte Einzelpersonen", erläutert eine ehemalige Staatssekretärin im US-Heimatschutzministerium in der Washington Post, "es ist ein Gruppenphänomen, und die derzeit größte terroristische Bedrohung für die USA".
Wo aber finden die rechtsextremen Ideologen zueinander? Wo stacheln sie sich gegenseitig in ihrem Hass und ihren Verschwörungstheorien an? Wo wächst schließlich die Bereitschaft zur Gewalt, die einzelne zuletzt zur Tat schreiten lässt. Das Internet biete mehrere Spielflächen dafür, sind sich die Experten einig. Einserseits die großen sozialen Medien wie Facebook und in den USA vor allem Twitter. Sie liefern perfekte Möglichkeiten, um zueinander zu finden.
Meist sind es Verschwörungstheorien, bei denen man sich verbrüdert: Großflächige Welterklärungsmodelle, in denen die natürlich weißen Bürger der USA einer entweder von Kommunisten, oder mächtigen jüdischen Kreisen gesteuerten Übermacht gegenüberstehen. All das würde von den manipulierten Massenmedien konsequent ignoriert.
Gemeinsame Sprache und Ideologie
Von den sozialen Medien führt der Weg der Gleichgesinnten direkt zu einschlägigen und meist nur noch für Eingeweihte erreichbaren Plattformen, wie "8Chan". Auf der nach dem Blutbad offline gegangenen Website hat auch der El-Paso-Massenmörder sein Pamphlet unmittelbar vor der Tat veröffentlicht. Darin taucht eines der zentralen Motive der extremen Rechten nicht nur in den USA auf: Die Warnung vor dem heimlichen Völkermord an den Weißen durch Massenzuwanderung, gesteuert durch eine von den genannten Mächten. Sein Angriff sei eine Antwort auf die "hispanische Invasion" schreibt der Attentäter, er kämpfe gegen "Rassenmischung" und "ethnische Vertreibung".
All das sind Teile eines Standardvokabulars, mit dem rassistische Rechtsextremisten längst weltweit arbeiten. Der Attentäter von Christchurch in Neuseeland, der im März 51 Menschen ermordete, verwendete die exakt gleiche Wortwahl. Ihn lobt der Texas-Täter in seinem Schreiben ausdrücklich, erklärt seine Unterstützung für ihn und dessen Taten. Doch die beiden Mörder - geographisch eine halbe Welt auseinander - sind nicht nur über das Internet miteinander verbunden, sondern auch durch extremistische Machwerke, die sie beide verehren, die ihnen die ideologischen Grundbausteine für ihre Weltanschauung bieten.
Eines dieser Bücher, auf das sich beide berufen, ist das "Der große Austausch". Ursprünglich 2011 auf Französisch erschienen, gilt es heute als eine der Zentralwerke der Identitären Bewegung, also jener Bewegung, die mit Martin Sellner einer ihrer Chefideologen in Österreich hat. Der Christchurch-Attentäter hatte ja mehrfach Geld für die Identitären gespendet, der Mörder aus El Paso bezieht sich nun deklariert auf den "großen Austausch".
Globale Verbindungen
Das ist nur ein Hinweis auf eine offensichtlich längst bestehende internationale Vernetzung gewaltbereiter Rechtsextremisten. So führen Spuren amerikanischer Neonazi-Gruppen wie "Vanguard America" ("Vorhut") zu gleichgesinnten britischen Gruppen wie "National Action". Experten vergleichen diese rechtsextremen Netzwerke inzwischen mit jenen des islamistischen Terrors wie etwa des IS.
So wie der IS eine globale Verbindung durch den von den Ungläubigen bedrohten wahren Islam beschwört, für den alle Brüder gemeinsam kämpfen würden, spricht man in den rechtsextremen Kreisen von der global bedrohten weißen Rasse, die sich nur geschlossen verteidigen könne. Die US-Sicherheitskräfte haben sich seit den Anschlägen vom 11.September 2001 auf islamistische Terrornetzwerke konzentriert, die aus dem Ausland ihre Verbindungen in die USA knüpfen, auch die bestehenden Gesetze sind darauf ausgerichtet.
So reicht ein Verdacht auf Unterstützung für ein Netzwerk wie den IS in den USA aus, um Polizei und Justiz aktiv werden zu lassen. Bei rechtsextremen Netzwerken fehlt den Behörden die rechtliche Handhabe. Seit den Kongresswahlen 2018 drängen die Demokraten auf Verschärfungen. Präsident Trump dagegen hat sich bis jetzt geweigert, den wachsenden und immer besser vernetzten Rechtsextremismus in den USA gezielter ins Visier zu nehmen. Entsprechend zurückhaltend seien die Behörden, wie ein ehemaliger FBI-Terrorspezialist gegenüber der Washington Post deutlich macht: "Die Agenten zögern einfach Ermittlungen einzuleiten, die in die Richtung zielen, die dieser Präsident als seine politische Basis betrachtet.
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