Scholz reist nach Moskau: Von der Ukraine in die Höhle des russischen Bären
In der Vorwoche war schon Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Kreml – und musste im Wesentlichen mit leeren Taschen die Rückreise nach Paris antreten. Bloß das: Man wolle im Konflikt um die Ukraine der Diplomatie weiterhin eine Chance geben, im Gespräch bleiben. Dieses sucht heute, Dienstag, der deutsche Kanzler Olaf Scholz in Moskau mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Die Chancen des Neuen, beim „Alten“ etwas herauszupauken, der seit 1999 die Geschicke des Landes dominiert: ungefähr null. Und so wächst die Kriegsgefahr von Tag zu Tag, immer konkreter werden die Szenarien, die westliche Geheimdienste skizzieren.
Im Vorfeld bereits hatte Scholz auf die gemeinsame Entschlossenheit der Verbündeten hingewiesen, bei einer etwaigen Invasion Russlands in die Ukraine sofort harte Sanktionen zu ergreifen. Die Frage, ob dazu auch ein Aus für die Gaspipeline Nord Stream 2 zähle, ließ der deutsche Kanzler bisher geflissentlich offen. Diese an sich fertiggestellte Energieleitung soll unter Umgehung der Ukraine russisches Gas nach Deutschland bringen.
Wie das Gas nach Europa kommt
Vor seinem Meeting mit „Zar Wladimir“ war Scholz am Montag in Kiew mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj zusammengetroffen. Dabei ging es vor allem um eine moralische und finanzielle Unterstützung der Ex-Sowjet-Republik. Die Lieferung von offensiven Rüstungsgütern, wie es Kiew verlangt und es andere NATO-Staaten auch tun, ist für Berlin weiterhin nicht vorstellbar.
Geld statt Waffen
Nach der Unterredung bekräftigte Scholz: „Im Fall einer militärischen Eskalation sind wir zu weitreichenden und effektiven Sanktionen bereit.“ Zugleich sagte er seinem Gegenüber einen neuen 150-Millionen-Euro-Kredit zu. An die Adresse Moskaus meinte der SPD-Politiker: „Wir sind bereit für einen ernsthaften Dialog mit Russland über Fragen europäischer Sicherheit.“ Der Kreml müsse aber „eindeutige Schritte zur Deeskalation“ unternehmen.
Danach sieht es aber nicht aus, im Gegenteil, es mehren sich die Anzeichen für einen Waffengang, auch wenn Putin dies stets bestreitet: Die russischen Streitkräfte haben bereits 135.000 Mann an der ukrainischen Grenze zusammengezogen. In Weißrussland finden noch bis Sonntag Manöver mit der Armee von Diktator Alexander Lukaschenko statt. Und auch im Schwarzen Meer lässt Putin mit einem Flottenaufmarsch militärisch die Muskeln spielen.
Am vergangenen Wochenende warnte das Weiße Haus, dass ein russisches Vordringen in die Ukraine jederzeit stattfinden könne, als konkretes Datum wurde dieser Mittwoch genannt – freilich ohne Angaben irgendwelcher Indizien dafür. Auch London ist besorgt, Verteidigungsminister Ban Wallace brach sogar einen Familienurlaub ab. Die britische Regierung geht laut Guardian davon aus, dass bei einer Invasion zunächst militärische Ziele ins Visier genommen würden. Danach würden die Hauptstadt Kiew und andere Metropolen umzingelt werden. Jetzt schon würden Agenten des russischen Geheimdienstes FSB daran arbeiten, nach dem Tag X Moskau-treue Anführer in den Städten zu installieren.
Die Geschichte der Ukraine und des Konflikts
Ukraine um Ruhe bemüht
Die Furcht vor einem möglicherweise bevorstehenden Waffengang führt bereits zu vielfältigen Reaktionen: In Asien brachen die Aktienkurse ein, der japanische Nikkei-Index etwa verlor zwei Prozent, in Wien büßte der ATX bisweilen gar 3,2 Prozent ein. Zugleich fordern immer mehr Staaten ihre Landsleute auf, die Ukraine zu verlassen. Sogar die amerikanischen Beobachter der OSZE-Mission (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) suchten das Weite. Österreich will laut APA seine zwölf OSZE-Entsandten, vier davon befinden sich in den pro-russischen Separatistengebieten, zunächst im Land belassen.
KLM meidet Ukraine
Die niederländische Fluglinie KLM jedenfalls fliegt ebenso wie die Norwegian die Ukraine vorerst nicht mehr an. Weitere Airlines könnten folgen, zumal auch die Versicherungskosten für Kiew-Flüge steigen.
Ukraines Präsident Selenskyj ist mitten in diesem Sturm um Beruhigung bemüht: „Aktuell ist der größte Feind des Volkes die Panik.“
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