Viel Arbeit für Barack Obama
Als knapp zwanzig Minuten nach fünf Uhr morgens unserer Zeit Barack Obama zum Wahlsieger erklärt wurde, erfüllten sich die Hoffnungen zehntausender US-Amerikaner, die monatelang für ihren Kandidaten gearbeitet, gezittert und zum Finale ihre Stimme abgegeben hatten. Glückwünsche aus der ganzen Welt trudelten ein. Doch bereits in der Stunde des Triumphs war die enorme Erwartungshaltung zu spüren, die mit Obamas Wiederwahl verknüpft ist.
Die Spitzen der Europäischen Union gratulierten Obama geschlossen zur Wiederwahl. Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Ratschef Herman Van Rompuy bezeichneten die USA gemeinsam als „strategischen Schlüsselpartner“ und äußerten die Hoffnung auf eine engere Zusammenarbeit in Wirtschafts- und Sicherheitsfragen. Auch Pabst Benedikt XVI. bat Obama darum, seine "enorme Verantwortung gegenüber seinem Land und der internationalen Gemeinschaft" wahrzunehmen.
Egal ob US-Haushalt, Finanzregulierung, Vermittlung im Nahen Osten und Syrien, sowie die Repositionierung als globale Wirtschaftsmacht - auf Barack Obama wartet viel Arbeit - daran wurde er auch erinnert.
Baustelle Haushalt
Angesichts einer republikanischen Mehrheit im Kongress und der damit verbundenen Blockademöglichkeit jedweder gröberer Reforminitiativen, geistert das Schreckgespenst einer Nicht-Einigung durch Washington. Nach aktueller Gesetzeslage laufen 2013 viele Steuerentlastungen aus, zugleich treten automatische Ausgabenkürzungen in Kraft. (Mehr dazu finden Sie hier)
Würde alles wie geplant umgesetzt, würde das US-Defizit im kommenden Jahr Experten zufolge um rund 665 Milliarden Dollar sinken. Dies entspräche gut vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes und würde die Haushaltsanierung auf einen Schlag weit vorantreiben - zugleich aber die Wirtschaft zu Jahresanfang wohl in die Rezession treiben. Damit es nicht dazu kommt, müssen Demokraten und Republikaner nun Kompromisse ausloten, welche Regelungen auslaufen und welche etwa verlängert werden könnten. Viele Obama-Wähler wünschen sich hier mehr "Sturheit", um sich in den Verhandlungen nicht über den Tisch ziehen zu lassen.
"Wall Street-Wunschkonzert"
Wenig bis gar kein Gehör dürfte Obama dagegen für die Wünsche der Wall Street haben. Nachdem die Finanzindustrie auf den Sieg des Republikaners Mitt Romney gesetzt hatte, kann man in New York nun mit der Unbill des Präsidenten rechnen. Obama dürfte in seiner zweiten Amtszeit auf eine härtere Gangart bei der Finanzregulierung setzen.
"Insbesondere nach dem Umschwenken der Wall Street zu Romney wird sich Obama bei der Regulierung dieses Mal weniger zurückhalten", sagt etwa Pensionsfonds-Berater Chris Tobe - schlechte Aussichten also für die Versuche der Banken, härtere Vorgaben abzuwehren. "Er wird die Regulierung weiter verschärfen, Unternehmen verteufeln, eine Menge Geld rauswerfen, Leute besteuern und so weiter", prophezeite Romney-Anhänger Richard Kovacevich, ehemals Chef der Bank Wells Fargo. Der Präsident wiederum machte keinen Hehl aus seiner Verachtung für die "fetten Katzen" unter den Banken, die "nichts kapierten".
Versprochen ist versprochen
Unter dem Twitter-Schlagwort "please y gracias" forderte die hispanische Community Präsident Obama nach Wahlschluss selbstbewusst auf, sich in seiner Rede auch auf Spanisch bei den Wählern zu bedanken. "Señor Presidente, Sie wissen ja, wem Sie den Sieg zu verdanken haben."
Auf Spanisch sprach Obama zwar nicht. Aber in seiner Siegesrede machte er deutlich, dass ihm der Beitrag der Bürger mit lateinamerikanischen Wurzeln zum Wahlergebnis durchaus bewusst ist: Er bekräftigte sein Versprechen, endlich die bereits 2008 angekündigte Reform der Einwanderungspolitik anzugehen. Die in den USA legal lebenden Latinos erhoffen sich dadurch Erleichterungen, die rund zwölf Millionen illegalen Immigranten hoffen auf ein Bleiberecht.
Ein fast nach längeren Wunschzettel bekam Obama in den Stunden nach seiner Wiederwahl aus dem Ausland präsentiert. Vor allem in Asien gibt es viel zu tun. So bat der Dalai Lama um Vermittlung in der Tibet-Frage, während Peking umgehend Position in Wirtschaftsfragen bezog. "Da die wirtschaftliche Verflechtung beider Nationen zunimmt, sollte eine neue US-Regierung vielleicht lernen, wie eine vernünftigere und konstruktive Beziehung zu China aufgebaut werden kann", hieß es aus dem Reich der Mitte.
Die radikalislamischen Taliban haben Obamas Wahlsieg dazu genutzt ihn aufzufordern, eine Niederlage der USA in Afghanistan anzuerkennen. "Obama muss jetzt wissen, dass sie den Krieg in Afghanistan verloren haben", erklärte Taliban-Sprecher Sabijullah Mujahid am Mittwoch auf der Webseite der Gruppe. "Deshalb müssen sie ohne weitere Lügen und Verzögerungen unser heiliges Land verlassen und sich statt dessen auf ihr eigens Land konzentrieren."
Die größte Außenpolitische Baustelle bleibt aber wohl weiter der Nahe Osten. "Der einzige Fehler seiner ersten Amtszeit, den Obama eingeräumt hat, ist sein Umgang mit dem Nahost-Frieden. Aber einen Plan hat er bisher nicht vorgelegt", so kommentierte die Zeitung "Jerusalem Post" am Mittwoch. Die Probleme sind ungelöst und die Aufgabe ist gewaltig: Frieden zwischen Israel und den Palästinensern sowie die Verhinderung einer iranischen Atombombe. Nichts weniger soll der im Amt bestätigte Obama in den nächsten Jahren erreichen. Gleichzeitig wurde Obama von UN-Generalsekretär Ban ki-moon daran erinnert, endlich das Blutvergießen in Syrien zu beenden.
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