Jubel und auch große Wünsche an den Präsidenten

Die begeisterten Anhänger Barack Obamas feierten in Chicago die Wiederwahl „ihres“ Präsidenten. Doch sie fordern auch: Jetzt muss Obama mehr liefern.

Für einen Moment weiß Arconia nicht so recht, ob sie den KURIER-Reporter aus dem so furchtbar weit entfernten Österreich zuerst umarmen oder seine Fragen beantworten soll und dann macht sie einfach beides gleichzeitig. Ist auch ziemlich schnell erklärt, ihr Wunsch für die nächsten vier Jahre ihres Präsidenten: „Barack muss endlich dickköpfiger werden“, meint die schwarze Wahlhelferin aus Chicago, „nur mit Sturheit kann man sich gegen die durchsetzen.“ „Die“ – das sind die Republikaner und ihr Kandidat, Mitt Romney, die sind an diesem Abend im McCormick-Center in Chicago fürs erste entzaubert. Die wilden Buhrufe, die anfangs bei jedem Sieg der Republikaner über einen US-Bundesstaat aufbranden, die werden immer leiser, je länger die Wahlnacht dauert. Mitt Romney ist hier in der Menge, die ohrenbetäubend die „vier weiteren Jahre“ für ihren demokratischen Präsidenten einklatscht, abgehakt.

Jubel und auch große Wünsche an den Präsidenten
Es ist ein Gemisch aus Freude, Stolz, vor allem aber grimmiger Entschlossenheit, das die Stimmung unter den Tausenden Fans und Wahlhelfern prägt, die hier eine Party für Barack Obama, aber auch für sich selbst feiern. „Es war verdammt hart“, gibt Claire, eine junge Wahlhelferin zu, die in diesem Wahlkampf einfach alles gemacht hat: Tausende Telefonanrufe bei Wählern, Tausende Meilen von einem umkämpften Wahlbezirk zum nächsten: „Wir haben uns so oft anhören müssen, wie viel der Präsident falsch gemacht hat, dass er enttäuscht hat, dass er viel zu wenig erreicht hat.“

Für den Präsidenten aber seien nicht nur der Wahlkampf, sondern die ganzen ersten vier Jahre hart gewesen – und genau deshalb würde die nächsten vier besser werden. „Es ist seine zweite Amtszeit, jetzt muss sich Obama durchsetzen“, macht Claire ihre Erwartungen deutlich: „In der zweiten Amtszeit kann er endlich das tun, was er alles wirklich vorgehabt hat. Die Zeit für Kompromisse ist vorbei.“

Forderungen

Was diese Vorhaben sein sollen, davon hört man in der riesigen unfreundlich dunklen Halle in Chicago in dieser langen Wahlnacht vieles: Das öffentliche Schulsystem müsse besser werden, vor allem aber müsse es auch öffentlich bleiben. Die Gesundheitsvorsorge müsse endlich überall Realität werden, die Förderung von Kindern aus armen Familien.

Schlafender Riese

Doch vor allem, und hier mischt sich oft unverhohlener Ärger unter die Begeisterung, müsse man den Republikanern klar machen, wer das Land führt. „Die dürfen nicht mehr durchkommen mit ihrer Blockade“, wird etwa Luis hörbar energisch.

Als Kind mexikanischer Eltern hat er die Wahl-Kampagne der Demokraten unter den Latinos mitgestaltet. Jetzt ist er richtig stolz darauf, dass die Wähler mit hispanischen Wurzeln in so großer Zahl zur Wahl gegangen sind und Barack Obama, davon ist Luis überzeugt, den Sieg in mehreren Bundesstaaten gebracht haben: „Wir waren doch immer der schlafende Riese, unter Obama sind wir es nicht mehr.“

Er und die meisten der Latinos fühlten sich von Präsident Obama verstanden, und er habe auch viel für sie gemacht. „Wenn auch“, gibt aber selbst Luis zu, „nicht so viel, wie wir uns vielleicht erwartet hatten.“ Trotzdem glaubt auch er, dass Obama den Umschwung, den Weg aus der Wirtschaftskrise geschafft hat, wenn auch erst für einige Schritte: „Es wird besser, Tag für Tag.“

Versöhnung

Die Versöhnung mit Mitt Romney und den Republikanern, die der Präsident in seiner Sieges-Rede verspricht, kann die jubelnden Fans zwar kurzfristig begeistern, aber so richtig daran glauben, fällt den meisten schwer.

Trotzdem denkt auch Luis, dass sich die demokratische Partei in diesem Wahlkampf in die politische Mitte bewegt hat, „und die müssen wir unbedingt halten.“ Die Republikaner, die würden sich von ihrer radikalen, rechten „Tea Party“ ohnehin wieder an den politischen Rand drängen lassen: „Und dort können sie von mir aus auch gerne bleiben.“

Die „manchmal offenen, brutalen Widersprüche“ zwischen den Parteien, von denen Obama in seiner Siegesrede Dienstagabend gesprochen hat, die würden sehr bald nach dieser Wahlnacht weitergehen. Daran hat ein politischer Stratege wie Bill Burton – früher in Barack Obamas Wahlkampfteam – überhaupt keine Zweifel: „Wir werden ein paar Stühle im Kongress in Washington herumrücken, und dann gehen die Probleme eh schon wieder von vorne los.“

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