"Sind mehr als ein Kollektiv von roten und blauen Staaten“
Der neue, alte Präsident glaubt an den amerikanischen Traum und ruft die USA zur Einheit auf. Er hat von den US-Bürgern eine zweite Chance bekommen: Dienstagabend Ortszeit trat Barack Obama in Chicago vor 15.000 seiner Anhänger und bedankte sich mit einem trockenen „Thank you“. Er weiß, jetzt heißt es arbeiten. Er muss das Vertrauen jener Wähler, die sich sehr spät für ihn entschieden haben, erst richtig gewinnen. Und er muss eine immer größere Kluft zwischen Demokraten und Republikanern überbrücken. Die Großparteien haben sich im Wahlkampf nichts geschenkt. Nie waren ihre Differenzen größer als in den vergangenen Tagen. Umso mehr rief der neue und alte US-Präsident seine Mitbürger zur Einheit auf.
„Wir sind nicht so gespalten, wie unsere Politik es aussehen lässt“, sprach er den Amerikanern – vielleicht auch ein bisschen sich selbst – Mut zu. Immer wieder betonte er das Wort „Vereinigte“, wenn er von den Vereinigten Staaten von Amerika sprach, von der „besten Nation der Welt“. Die „amerikanische Familie“ sei „stärker als die Summe unserer individuellen Ambitionen und wir sind mehr als ein Kollektiv von roten und blauen Staaten“, sprach der Präsident die Unterschiede zwischen den Parteien an. Man könne auf dem Fortschritt aufbauen, der bereits gemacht wurde.
Und Obama ließ auch den amerikanischen Traum wieder aufleben. Er glaube daran, dass die Idee weiterlebt, dass jeder, der hart arbeitet, in Amerika etwas erreichen kann. Man müsse nur zusammenhalten: „Es zählt nicht, wer du bist, oder woher du kommst, oder wie du aussiehst, oder wen du liebst. Es zählt nicht, ob du schwarz bist oder weiß oder Hispanic oder Asiate oder Ureinwohner oder Jung oder Alt oder Reich oder Arm oder Gesund oder Behindert oder Schwul oder Hetero.“
Zu viele Versprechen
Da war er wieder, Obama, der Brandredner. Auch wenn er es laut mehreren Kommentatoren nicht mit dem Obama von 2008 aufnehmen konnte – seine
Rhetorik saß perfekt. Deshalb fragte Ezra Klein von der Washington Post: „Wo war dieser Mann während des Wahlkampfes?“
Und er beantwortete sich die Frage so: Obama hatte in seinem ersten Präsidentschaftswahlkampf viel versprochen. Er wollte Washington umkrempeln, stieß aber auf eine unerschütterliche republikanische Mehrheit im Kongress und eine miese Wirtschaft. Von „Hope and Change“ (Hoffnung und Wandel) blieb nur die Hoffnung übrig. Seine Wähler waren enttäuscht. Neue Versprechungen zu machen, die man danach nicht einhalten könnte, wäre die falsche Strategie gewesen. Also zeigte sich Obama als der moderate Kandidat mit realistischen Zielen. Das dankten ihm die Wähler offenbar. Die starke Rede packte er erst aus, als er gewonnen hatte. „Das Beste kommt noch“, versprach er.
Und natürlich dankte er auch seiner Familie. Eine Liebeserklärung in Richtung Michelle („Ich war stolz zu sehen, wie sich ganz Amerika in dich verliebt“) und ein Scherz in Richtung Töchter („Ein Hund ist wohl genug“) brachte die nötige Emotion in seine pathetische Rede.
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